Rio de Janeiro (dpa) – Sie hat sich rar gemacht in Rio de Janeiro, die Moskitoart Aedes aegypti. Diese Moskitos sind der Hauptüberträger des mysteriösen Zika-Virus.
Nach den sehr hochkochenden Debatten um große Ansteckungsrisiken während der Olympischen Spiele sieht die Realität so aus: Durch die kühleren Temperaturen ist die Aktivität der Moskitos sehr stark zurückgegangen – und damit auch die Zahl der Zika-Infektionen. Kolumbien hat die Zika-Epidemie für überwunden erklärt – und rät nicht mehr, Schwangerschaften aufzuschieben.
Wie ist die aktuelle Lage in der Olympiastadt?
In Rio herrschen Temperaturen von aktuell 22 bis 29 Grad, im südamerikanischen Winter gibt es in der Olympiastadt traditionell weniger Moskitos. An den Sportstätten wird mit Besprühungsaktionen dafür gesorgt, dass es dort mückenfrei ist. Zudem gibt es für Sportler, Funktionäre und Freiwillige umsonst Mückenspray, auch an einigen Sportstätten soll das Mittel «Off» kostenlos verteilt werden.
Lässt sich das geringere Risiko auch mit Zahlen belegen?
Ja. «Meldedaten bestätigen, dass in Brasilien in dieser Jahreszeit mückenübertragene Infektionen viel seltener sind als zum Beispiel in der Osterzeit», betont Christina Frank von der Abteilung für Infektionsepidemiologie des Robert-Koch-Instituts. Nur fünf Prozent der von 2001 bis 2015 bei Brasilien-Rückkehrern diagnostizierten Fälle von Denguefieber seien bei Personen festgestellt worden, die im August und September dort waren. «Und das, obwohl diese zu den reisestärksten Monaten zwischen Deutschland und Brasilien gehören.» Daher sei auch eine Verschiebung der Rio-Spiele nicht notwendig.
Gibt es Gründe, Olympia wegen Zika zu meiden?
Schwangeren Frauen wird von Reisen in Zika-Gebiete abgeraten. Bei den Sportlern gibt es vor allem Absagen von Golfern. Ein vorgeschobener Grund, meint der Chef des Organisationskomitees. «Sie haben versucht, die Schuld auf Zika zu schieben, aber die Medien haben gezeigt, dass sie nicht kommen, weil es kein Preisgeld gibt», sagt Carlos Nuzman. Da eine sexuelle Übertragung möglich ist, empfiehlt die Gesellschaft für Tropenmedizin, dass Männer, die aus einem Zika-Ausbruchsgebiet zurückkehren, für acht Wochen Kondome beim Sex benutzen. Männer mit schwangeren Partnerinnen sollen das bis zur Geburt des Kindes tun.
Wie viele Fälle von Schädelfehlbildungen gibt es in Brasilien?
Es ist erwiesen, dass Zika schwere neurologische Schäden verursachen kann. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Brasília gibt es seit der systematischen Erfassung im Oktober vergangenen Jahres 1709 bestätigte Mikrozephalie-Fälle und 3182 Verdachtsfälle. Aber: Nur bei 267 bestätigten Fällen konnte das Zika-Virus eindeutig nachgewiesen werden, mit dem sich die Mütter in der Schwangerschaft infiziert hatten. Ein anderer Grund für Mikrozephalie kann Alkohol in der Schwangerschaft sein. Als Mikrozephalie gilt, wenn das Baby mit einem Kopfumfang von 32 Zentimetern oder kleiner zur Welt kommt. Im ganzen Bundesstaat Rio de Janeiro gibt es 87 bestätigte Mikrozephalie-Fälle.
Wann ist mit einer neuen Welle zu rechnen?
Ab Oktober, wenn die Moskito-Saison wieder beginnt. Aber die Epidemie könnte ihren Höhepunkt in Brasilien auch schon überschritten haben. «Wir erwarten, dass die gegenwärtige Epidemie in drei Jahren weitgehend überwunden ist», bilanziert ein Team um Neil Ferguson vom Zentrum für Epidemie-Analysen des Imperial College London im Magazin «Science». Anhand von Rechenmodellen zur Ausbreitung von Zika kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass nach und nach ein so großer Prozentsatz der Bevölkerung immun gegen das Virus sein könnte, dass es sich kaum noch weiter verbreitet. Wer einmal mit dem Erreger infiziert war, gilt als immun. Allein in Brasilien sollen sich bis zu 1,5 Millionen Menschen 2015/2016 infiziert haben. Die eigentlichen Zika-Symptome wie Hautrötungen und leichtes Fieber sind harmlos – so dass viele Menschen die Infektion gar nicht bemerken.
Was sind die großen Risiken?
Es gibt erste Indizien, dass Zika auch von anderen, weit verbreiteten Mücken übertragen werden könnte – und der schleichende Klimawandel scheint die Ausbreitung der Moskitoart Aedes aegypti zu beschleunigen. Es wird geschätzt, dass sich die Fläche, auf der die Moskitoart in Brasilien vorkommt, binnen zehn Jahren mehr als vervierfacht hat und nun 80 Prozent beträgt. Das bedeutet: Nach Brasilien könnten auch andere Länder auf anderen Kontinenten plötzlich stark betroffen sein. Zika ist bereits in über 60 Ländern aufgetaucht.
Was tut die brasilianische Regierung?
Sie setzt auf einen Mix aus Aufklärung der Bevölkerung zur Bekämpfung der Moskitos, Besprühung und Anwendung neuer Methoden. In Mexiko berieten Anfang des Monats Wissenschaftler aus 60 Ländern über den Einsatz sterilisierter Moskitos. Dabei sollen Männchen bestrahlt und unfruchtbar gemacht werden. Nach der Paarung legen die Weibchen keine Eier mehr. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat 2,3 Millionen Euro für das Projekt zur Verfügung gestellt, in Brasilien soll die Methode zur nächsten Moskito-Welle zum Einsatz kommen. Und im November sollen die ersten Tests mit einem von amerikanischen und brasilianischen Wissenschaftlern entwickelten Impfstoff an Affen und Mäusen starten. Er soll spätestens ab 2018 zur Verfügung stehen.
Fotocredits: Georg Ismar