Hannover – Das Urteil ist schon seit Wochen gesprochen. «Diese Mannschaft ist kaputt, schlecht zusammengestellt und gescheitert», sagte der Hauptgesellschafter Martin Kind bereits Anfang März über den Kader von Hannover 96.
Allein: Zwei Monate später ist der Tabellenletzte der Fußball-Bundesliga noch immer nicht abgestiegen. Selbst vor dem letzten Heimspiel gegen den SC Freiburg (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) hat diese «kaputte» Mannschaft mit nur 18 Punkten weiter eine minimale Chance, sich in die Relegation zu retten.
In der Theorie heißt das: Hannover hat zwei Spieltage vor Schluss sechs Punkte Rückstand auf Platz 16 und kann den Abstieg nur dann noch verhindern, wenn drei Dinge auf einmal passieren. Die 96er müssen ihre Spiele gegen Freiburg und Fortuna Düsseldorf gewinnen. Der Tabellen-16. VfB Stuttgart darf gegen den VfL Wolfsburg und Schalke 04 keinen Punkt holen. Und auch der 1. FC Nürnberg darf gegen Borussia Mönchengladbach und Freiburg maximal ein Spiel gewinnen.
In der Praxis bedeutet das aber auch: Spieler, die schon längst wissen, dass sie den Verein verlassen werden oder müssen, sollen Hannover vorher noch ein mittleres sportliches Wunder in Form des Klassenerhalts bescheren. Obwohl niemand mehr richtig daran glaubt.
Der ewig optimistische Trainer Thomas Doll sieht allerdings auch darin eine Chance. Denn vor dem Freiburg-Spiel sagte er gewohnt unverblümt: «Wenn man Woche für Woche hört, dass man hier nicht mehr gewollt ist oder den Verein verlassen soll: Dann kommt bei Fußballern, die einen guten Charakter haben, eine Trotzreaktion. Das sehe ich bei den Jungs so. Sie wollen es denen zeigen, die die ganze Zeit negativ berichtet und negativ gesprochen haben.»
Die Adressaten dieser Worte sind klar: Die Medien in Hannover – und Dolls eigener Vorgesetzter. Denn Martin Kind hat den Glauben an eine sportliche Rettung schon lange verloren. Über die Zukunft der drei Außenverteidiger Miiko Albornoz, Julian Korb und Matthias Ostrzolek sagte er dem «Sportbuzzer»: «Wer sie abgeben will, der unterstellt, dass es auch einen Markt für sie gibt. Der existiert aber nicht.»
Schon jetzt ist völlig unabhängig vom Ausgang der beiden letzten Spieltage klar, dass es in Hannover einen großen Umbruch geben wird. Trainer, Mannschaft, sportliche Leitung: In allen Bereichen will sich der Club neu aufstellen. Die meisten Spieler des aktuellen Kaders sollen weichen, um entweder Platz für neue zu schaffen oder um diesen Umbruch durch Transfereinnahmen zu finanzieren.
Bleiben werden nicht viele. Die Saison-Entdeckung Hendrik Weydandt gehört dazu. Ein Talent wie Linton Maina und einen Routinier wie Edgar Prib will 96 ebenfalls halten. Ihre Perspektive heißt mit großer Wahrscheinlichkeit Zweite Liga, ein kompletter Neuaufbau, eine ungewisse Zukunft. Denn noch hat Hannover keinen neuen Manager oder Trainer verpflichtet, der diese Zukunft gestalten soll.
Oder kommt alles doch noch einmal anders? «Ich habe schon vor Wochen gesagt: Wir müssen an unsere Chance glauben», meinte Doll. «Wir haben in dieser Woche gesehen, was Mentalität und Glauben bewirken können. Das ist das Geile am Fußball.»
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(dpa)