Mexiko-Stadt – Mit dem wehenden Union-Jack in der Hand drehte Lewis Hamilton seine Titelehrenrunde, dankte mit belegter Stimme seinem Mercedes-Team und bekam noch im Auto die Glückwünsche von Kumpel Neymar.
Der 32 Jahre alte Brite kürte sich trotz eines Plattfuß-Dramas nach einer Start-Attacke von Sebastian Vettel am Sonntag vorzeitig zum neuen Formel-1-Weltmeister. «Es war nicht das Rennen, das ich mir erhofft hatte, aber ich habe nicht aufgegeben», sagte Hamilton. «Das war eine unglaubliche Reise in den vergangenen fünf Jahren. Es fühlt sich sehr surreal an. Ich widme das meiner Familie und meinen Team.»
Hamilton rettete sich nach einem spektakulären Rennverlauf mit ganz frühen Zwangs-Boxenstopps der beiden WM-Duellanten auf Platz neun ins Ziel. Das reichte, Vettel konnte die vierte Hamilton-Krönung auch nach einer atemraubenden Aufholjagd in der Höhenluft von Mexiko-Stadt nicht länger hinauszögern. «Danke, Danke, Danke, Danke. Viermal Danke», funkte Team-Oberaufseher Niki Lauda Weltmeister Hamilton ins Auto.
Vettel wurde Vierter, er hätte aber gewinnen müssen angesichts der Hamilton-Platzierung. Den Sieg sicherte sich Red-Bull-Star Max Verstappen vor Hamiltons Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas und Vettels Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen.
Hamilton machte im drittletzten Grand Prix der Saison seinen vierten Titel nach 2008, 2014 und 2015 perfekt. Er zog nach WM-Triumphen mit Vettel gleich, ebenfalls viermal wurde der Franzose Alain Prost Weltmeister. Fünf und mehr Titel gelangen nur Rekordchampion Michael Schumacher (7) und dem Argentinier Juan Manuel Fangio (5).
Für Hamiltons Mercedes-Team war es der achte Titel seit 2014. Die Silberpfeile gewann 2014, 2015, 2016 und nun auch 2017 jeweils die Fahrer- und die Konstrukteurswertung.
Vettel versuchte auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez noch einmal alles, es nutzte nichts. Die 50. Pole seiner Karriere war schnell ohne Wert, ausgerechnet er und Hamilton kamen sich schon nach der ersten Kurve zu nah. Zunächst zog Verstappen, von Platz zwei gestartet, spektakulär an Vettel vorbei. Vettel demolierte sich beim Versuch, sich zu verteidigen, den Frontflügel.
Teile flogen durch die Luft, aufgeschlitzt wurde Hamiltons rechter Hinterreifen aber von Vettels Restflügel. «Hat er mich bewusst getroffen?», fragte Hamilton seine Box. Die Rennleitung schaute sich die Manöver an und entschied: Keine Strafen.
Aber es war ein Start-Drama, das dem Rennen noch mal gehörige zusätzliche Spannung verlieh. Vettel musste in der zweiten Runde in die Box, bekam einen neuen Frontflügel, Hamilton musste in der zweiten Runde in die Box und bekam neue Reifen.
Beide ließen sich die soften Reifen montieren – damit konnten sie eigentlich durchfahren. Auf den Plätzen 19 und 20 reihten sich Vettel und Hamilton ein. Für Hamilton kein Grund zur Sorge: Vettel musste mindestens Zweiter werden, um den Titelgewinn des Briten in Mexiko zu verhindern, solange dieser nicht unter die ersten zehn kommen würde. Auf Rang zwei fuhr aber Runde um Runde Hamiltons Teamkollege Bottas, der Rückstand Vettels auf den Finnen betrug zunächst über eine Minute.
Hamilton wirkte aber alles andere als beruhigt. In der 22. Runde musste er sich von Verstappen überrunden lassen und er fragte sich: Wie weit schafft es Vettel nach den Boxenstopps der Konkurrenten nach vorn. Es wurde ein Rechenspiel für die Teamstrategen. Erst recht, als Brendon Hartleys Toro Rosso brannte.
Die virtuelle Safety-Car-Phase nutzten die Teams zum Reifenwechsel, Vettel stieg auf die ultrasoften Pneus um, Hamilton auf die supersoften. Und beide machten Meter um Meter gut, Position um Position. 13 Runden vor Schluss war Vettel auf Rang vier, nur noch Verstappen, Bottas und Räikkönen waren vor ihm. 23 Sekunden trennten die beiden Ferrari-Kumpels. «Mamma mia, das ist ein bisschen zuviel», kommentierte Vettel via Boxenfunk. Hamilton schaffte es zudem zur gleichen Zeit bis auf Rang zehn und überholte dann auch noch seinen ehemalige McLaren-Kollegen Fernando Alonso.
Es reichte also nicht für Vettel. Die zweite Saisonhälfte mit zu vielen Pannen an seinem Ferrari und zu vielen eigenen Patzern machte die bis zur Sommerpause blendenden Aussichten auf den fünften WM-Triumph zunichte. Vor allem wäre es der erste mit Ferrari gewesen.
Aus einem 14-Punkte-Vorsprung von Vettel wurde bis zur Entscheidung in Mexiko ein 66-Punkte-Rückstand. Nach vier Siegen in der ersten Saisonhälfte gelang Vettel im zweiten Abschnitt bis jetzt noch kein Einziger.
Der erneute Titel für Hamilton war nur noch zu einer Frage der Zeit. In Austin hatte es bei der Super-Show der Amerikaner für den Super-Star der Formel 1 vor einer Woche noch nicht geklappt. In Mexiko, wo die Motorsport-Königsklasse seit 2015 wieder fährt, war es soweit. Mit dem Smartphone hielt Hamilton die Gänsehaut-Atmosphäre im umgebauten Baseball-Stadion schon vor dem Start fest.
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(dpa)