Pyeongchang – Der Dopingwirbel um einen russischen Curler bei Olympia wird auch für das IOC zu einer schweren Belastungsprobe.
Selbst wenn ein Urteil der Sportrichter im Verfahren gegen Alexander Kruschelnizki wohl nicht vor Donnerstag fällt, bringt schon der Positivtest des Bronze-Gewinners das Internationale Olympische Komitee in Not.
Immer lauter werden in Pyeongchang die Fragen, ob die Russen nicht bereits die Chance auf ein Ende der IOC-Sanktionen und die Teilnahme an der Schlussfeier unter eigener Flagge verwirkt haben. «Das Verhalten des Teams und andere Aspekte werden in Betracht gezogen. Ich will da nichts vorwegnehmen», sagte IOC-Sprecher Mark Adams.
Einmal mehr verwies der Brite auf die Arbeit der dreiköpfigen Bewertungskommission, die der IOC-Exekutive bis zum Samstag eine Empfehlung vorlegen wird, ob die Suspendierung des Nationalen Olympischen Komitees Russlands aufgehoben werden kann. Nach dem systematischen Dopingbetrug bei den Heimspielen 2014 in Sotschi starten russische Sportler in Pyeongchang auf Bewährung unter neutraler Flagge. Die heikle Frage für das IOC ist nun: Wie schwer wiegt der Fall Kruschelnizki?
Das Warten auf die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs CAS über mögliche Strafen gegen den Curler bot genügend Raum für Diskussionen über die IOC-Prüfkriterien. Ein Kernpunkt der vorab festgelegten Verhaltensregeln für die «Olympischen Athleten aus Russland» ist das Einhalten der Anti-Doping-Regeln. Die Anhörung von Kruschelnizki sei bislang nicht datiert, teilte CAS-Generalsekretär Matthieu Reeb mit. Der russische Curling-Verbandschef Dmitri Swischtschow indes sprach von einer Verhandlung am Donnerstag, zu der er mit anderen Funktionären nach Südkorea fliegen wolle.
Die Debatten um Russland werden sich unweigerlich bis zum Ende der Winterspiele fortsetzen, auch wenn IOC-Sprecher Adams beteuerte: «Wir haben vorher besprochen, warum wir diesen Prozess durchlaufen müssen. Das wird auf keinen Fall die Schlussfeier überschatten. Die wird genauso spektakulär und berührend wie die Eröffnungsfeier.»
Zum Auftakt der Spiele allerdings hatte das IOC mit dem gemeinsamen Einmarsch der Delegationen aus Nord- und Südkorea einen Coup gelandet. Es wäre ein Signal ganz anderer Natur, sollten zum Abschluss die Russen wieder unter eigener Fahne ins Olympiastadion einziehen. Dafür müssten sie «den Wortlaut und den Geist» der IOC-Vorgaben einhalten, wie Adams gebetsmühlenartig wiederholt.
Ob dazu auch die vom IOC im Sotschi-Skandal geforderte und bislang wohl nicht eingegangene Strafzahlung von 15 Millionen Dollar gehört, bestätigte er jedoch nicht. «Wir haben klare Kriterien», sagte Adams nur. Eine formale Anhörung der Russen vor der Entscheidung der IOC-Exekutive soll es nicht geben. Zur Causa Kruschelnizki wollte sich das IOC wegen des noch laufenden Verfahrens nicht äußern.
Von einem Sprecher des OAR-Teams hieß es, das Ergebnis der B-Probe des Curlers sei noch nicht bekannt. «Wir warten wie jeder andere auch», sagte Konstantin Wybornow. In der A-Probe war Kruschelnizki die Einnahme der verbotenen Substanz Meldonium nachgewiesen worden.
Die Heimat reagiert mit Unbehagen. «Es ist natürlich sehr schade, dass das passiert ist», sagte NOK-Vizepräsident Igor Lewitin der Agentur Tass zufolge. Die Moskauer Zeitung «Kommersant» kommentierte am Dienstag: «Die Nachricht hat bereits jene aktiviert, die die Zulassung der Russen zu den Spielen als Fehler bezeichnet haben.»
Neben der Affäre Kruschelnizki muss sich die Anti-Doping-Kammer des CAS seit Dienstag auch mit dem Dopingfall des slowenischen Eishockeyspielers Ziga Jeglic beschäftigen. Der 29 Jahre alte Stürmer wurde im Wettbewerb positiv auf das Asthma-Mittel Fenoterol getestet und akzeptierte, dass er ein Vergehen begangen habe. Für den ersten Dopingfall der Winterspiele hatte der japanische Shorttracker Kei Saito gesorgt.
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(dpa)