Krakau – In der Kabine stimmten die erschöpften deutschen Volleyballer die Jubelgesänge an. «Finale, oho!», intonierte die Mannschaft um Diagonalangreifer Georg Grozer und Kapitän Lukas Kampa nach dem furiosen Einzug ins EM-Finale mehrmals.
Was für eine Leistung! Mit 0:2 nach Sätzen lagen die Deutschen im Halbfinale gegen den Weltranglisten-11. Serbien schon zurück. Im vierten Satz wehrten sie mit enormer Nervenstärke sogar zwei Matchbälle ab, ehe sie den ersten Einzug in ein Finale mit 3:2 perfekt machten.
«Ich bin extrem leer, supermüde und zittere am ganzen Körper», räumte Kampa nach dieser furiosen Willensleistung ein. «Ich hätte gedacht, ich freue mich, wenn wir ins Finale kommen, aber es ist gerade so, als wenn das Spiel noch weiter geht.»
Im Finale hat der WM-Dritte von 2014 sogar die Riesenchance auf Gold. «Wir haben schon eine Medaille gewonnen und holen noch die Goldene», gab der Zuspieler, der den Matchball mit einem Block verwandelte, als klare Marschroute für das Endspiel in Krakau aus.
Doch der Gegner hat es in sich. Im Endspiel warten die Russen, die im Halbfinale gegen Belgien um den früheren deutschen Nationalcoach Vital Heynen mit 3:0 kurzen Prozess machten. Es war eine weitere Machtdemonstration. Denn der Olympiasieger von 2012 hat bei dieser Endrunde noch keinen einzigen Satz abgegeben. «Wir müssen auch im Finale an uns glauben und mit freiem Kopf in das Spiel gehen», empfahl der deutsche Nationaltrainer Andrea Giani.
Italiens Volleyball-Legende hatte einen so schweren Start in seinen neuen Job. Seit seinem Amtsantritt als Nachfolger Heynens im Februar dieses Jahres hatte er mit den Deutschen erst den Aufstieg in der Weltliga verpasst, danach die Qualifikation für die WM 2018. Die EM in Polen, drei Jahre nach dem sensationellen Gewinn von WM-Bronze in Kattowitz, ist eine Bestätigung seiner Aufbauarbeit.
Dabei war seine Mannschaft im Halbfinale nach dem Satzrückstand eigentlich schon fast draußen. «Nach dem 0:2 hat uns Andrea gesagt, es geht von 0:0 los, auch wenn es so natürlich nicht war», erzählte Libero Julian Zenger, einer von sieben EM-Neulingen im 14 Mann starken Kader. «Dann haben wir gut aufgeschlagen, gut abgewehrt und das Ganze noch gedreht – keine Ahnung wie genau.»
Es war eine bravouröse Mannschaftsleistung. Grozer mit 20 Punkten und Außenangreifer Denis Kaliberda (12) ragten dabei in der Offensive heraus. «Es ist verwirrend, ich kann das im Moment noch gar nicht fassen, einfach unglaublich», meinte Grozer nach dem historischen Abend. Vielleicht gelingt den deutschen Volleyballern noch eine weitere Nacht für die Geschichtsbücher.
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(dpa)