Bischofshofen – Schon wenige Minuten nach dem Ende einer für die deutschen Skispringer unbefriedigenden Vierschanzentournee schaltete Bundestrainer Werner Schuster in den WM-Modus.
«Die Jungs müssen begreifen, dass die Tournee jetzt vorbei ist, die Saison aber noch lange nicht. Da gibt es noch einiges zu holen», appellierte Schuster an den Kampfgeist seiner erfolglosen Schützlinge.
Bis zur WM in Lahti hat Schuster noch knapp sieben Wochen Zeit, die vielen Baustellen im Team zu schließen. Da ist zum einen der formschwache Severin Freund, der in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen weit hinterher sprang und dann auch noch von einer Grippe lahmgelegt wurde. Zum anderen sind da Richard Freitag und Andreas Wellinger, die ihr Leistungspotenzial einmal mehr nicht ausschöpften. «Sie haben nur in Einzelsprüngen aufgezeigt, was hätte gehen können», monierte Schuster.
Gerade weil Freund eine schwierige Zeit durchmacht und momentan nicht zur sportlichen Führungsfigur taugt, baut Schuster auf das Duo mit den großen Möglichkeiten. «Ich bin guter Hoffnung, dass Andi Wellinger und Richard Freitag in dieser Saison noch zu Siegspringern werden. Dafür werde ich bis zum 27. März alles tun», sagte der Bundestrainer. «Und Markus Eisenbichler ist definitiv auch in der Lage dazu.» Der Bayer war als Gesamt-Siebter bester Deutscher bei der 65. Tournee-Auflage.
Das Finale in Bischofshofen war exemplarisch für das Auf und Ab im DSV-Team. Während Qualifikationssieger Wellinger im ersten Durchgang ausschied und Eisenbichler nur 13. wurde, verzeichnete der bis dahin enttäuschende Freitag ausgerechnet auf der von ihm ungeliebten Schanze als Sechster sein bestes Ergebnis. «Ich habe über die gesamte Tournee gekämpft. Das ist auch eine Einstellungsfrage. Es steckt was in mir drin, es muss nur rauskommen», bilanzierte der Sachse. «Vielleicht muss man die Tournee mal ganz anders aufrollen.»
Mit solchen Gedankenspielen wird sich Schuster erst nach dem Ende der Saison beschäftigen. Jetzt gilt sein Fokus der WM. «Es ist wichtig, dass die Jungs die Köpfe wieder hochkriegen. Es gilt, eine gute Mannschaft zu formen. Ich hoffe, dass wir dann mindestens drei Athleten in Topform haben», formulierte der Coach das Ziel.
Ob Freund bis dahin zu alter Stärke zurück findet, ist allerdings fraglich. «Bei Severin hoffe ich, dass noch etwas geht. Es wird sicher nicht leicht», sagte Schuster. Als Vorbild könnte Tournee-Triumphator Kamil Stoch aus Polen dienen, der nach einem zweijährigen Leistungstief nun wieder ganz oben ist. «Freund kann sich Stoch als Vorbild nehmen. Wobei ich nicht hoffe, dass es so lange dauert, auch wenn man es nicht ausschließen kann», erklärte Schuster.
Derzeit ist noch offen, wann der Weltmeister von 2015 wieder auf die Schanze kann. Sollte kein sinnvolles Training möglich sein, wird Freund auch beim Weltcup in Wisla am kommenden Wochenende pausieren.
Insgeheim ist Schuster ohnehin darauf eingerichtet, dass er kurzfristig einen neuen Siegspringer formen muss. «Man muss schauen, ob Severin seine Führungsrolle wieder einnehmen kann oder sich eine andere Hierarchie bildet», sagte der Österreicher. «Wir sind in einer Umbruchphase. Das ist unbefriedigend, aber man kann im Skispringen nicht alles planen. Die Situation hat sich so entwickelt.»
(dpa)