Frankfurt/Main – Langeweile ist etwas anderes: Das Fußball-Jahr 2017 war auch ohne Weltmeisterschaft ein ungemein ereignisreiches. Die Deutsche Presse-Agentur blickt zurück auf Bewegendes, Skandalöses, Unfassbares und Historisches:
JANUAR
Monokultur: Cristiano Ronaldo ist «Weltfußballer des Jahres». Seit neun Jahren geht die höchste Auszeichnung der FIFA an den Portugiesen oder an Argentiniens Superstar Lionel Messi. Ronaldos Sohn Cristiano Junior schwärmt aber für Messi.
Multikultur: Das Council des Weltverbandes winkt die XXL-WM durch. Die Teilnehmerzahl wird von 32 auf 48 Teams von 2026 an erhöht. Fast die ganze Welt zu Gast bei Freunden.
Tragödie: Fast die ganze Mannschaft des brasilianischen Clubs AF Chapecoense war gestorben, als ihr Flugzeug auf dem Weg zum Finale um den Südamerika-Cup abstürzte. Im Januar kommen die Überlebenden Torwart Jackson Follmann, im Rollstuhl, Neto und Alan Ruschel bei einem Benefizspiel mit dem neuformierten Team wieder aufs Spielfeld.
FEBRUAR
Abgang: Philipp Lahm kündigt sein Karriereende an: «Ab Sommer bin ich Privatier.» Der schlaue Weltmeister wird aber nicht Sportdirektor beim Rekordmeister, wo Uli Hoeneß wieder an der Schaltzentrale sitzt.
Leere Hütte: Borussia Dortmund gewinnt 3:0 gegen den VfL Wolfsburg – vor der gesperrten und gähnend leeren Südtribüne. Zur Strafe für die skandalösen Vorfälle am Rande des Heimspiels gegen RB Leipzig. «Das sind schreckliche Bilder» – sagt BVB-Boss Jans-Joachim Watzke.
MÄRZ
Spiel des Jahres (I): Der FC Barcelona fegt Paris Saint-Germain im Achtelfinale der Champions League mit 6:1 vom Platz und macht damit das 0:4 aus dem Hinspiel wett. Drei Tore fallen von der 88. Minute an. Der Barça-Brasilianer Neymar geht trotzdem im Sommer zu PSG.
Auswanderer: Bastian Schweinsteiger wechselt zu Chicago Fire in die amerikanische Major League Soccer. Der Weltmeister muss Werbung für seinen Sport machen und sagt: «Ihr habt hier ein sehr gutes Baseballteam, eine sehr gute Eishockeymannschaft und ein sehr gutes American-Football-Team. Hoffentlich habt ihr auch bald eine sehr gute Fußballmannschaft.»
APRIL
Triple weg, Double futsch: Der FC Bayern fliegt aus der Champions League (gegen Real Madrid) und aus dem DFB-Pokal (gegen Borussia Dortmund). Zum Trost gibt’s am Saisonende wenigstens den fünften Meistertitel in Serie, auch wenn die «Süddeutsche Zeitung» zwischendurch eine neue «Mia-san-ich»-Mentalität ausmacht.
Schock: Vor dem Champions-League-Spiel gegen AS Monaco gibt es einen Anschlag mit drei Sprengsätzen auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund. Der spanische Profi Marc Bartra und ein Polizist werden verletzt. Gegen einen Deutsch-Russen, der einen Kurssturz der BVB-Aktie erzwingen wollte, wird Anklage erhoben.
MAI
Trauerflor: Nur zwei Tage nach dem furchtbaren Anschlag von Manchester mit 22 Toten gewinnt Manchester United mit einem 2:0 gegen Ajax Amsterdam die Europa League. «Wir haben für die Leute gespielt, die gestorben sind», sagt Torschütze Paul Pogba. Die Champions League gewinnt auch ein Deutscher: Toni Kroos mit Real Madrid.
Krawallkurs: Fans von Dynamo Dresden nutzen das Zweitliga-Spiel beim Karlsruher für einen bizarren Auftritt. Komplett im Military-Look erklären sie dem DFB den «Krieg».
Abstiegskrampf: Der Hamburger SV, der «Dino» der Bundesliga, rettet sich mal wieder – mit einem Last-Minute-Treffer von Luca Waldschmidt gegen den VfL Wolfsburg. Der VW-Club übersteht die Relegation mit zwei 1:0-Siegen gegen Eintracht Braunschweig.
Misstöne: Tausende von Fans pfeifen Schlagerstar Helene Fischer bei ihrem Halbzeit-Auftritt während des Pokal-Endspiels in Berlin aus. Zuviel Show! Der DFB räumt später ein, dass das keine gute Idee war.
JUNI
Steuersache: Superstar Cristiano Ronaldo, bei Real Madrid mit einem Brutto-Gehalt von 50 Millionen Euro ausgestattet, soll nach einer Anzeige der Staatsanwaltschaft in Spanien zwischen 2011 und 2014 gut 14,7 Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben. Der Portugiese lässt wenig überraschend die Anschuldigungen über Anwälte und Manager zurückweisen.
Junge Wilde (I): Die U21 des DFB triumphiert bei der EM in Polen. Das Team von Trainer Stefan Kuntz setzt sich im Endspiel mit 1:0 gegen Spanien durch. Für Nachwuchs ist gesorgt im deutschen Fußball.
Absturz: 1860 München muss nach vielen Turbulenzen unter Investor Hasan Ismaik runter bis in die Regionalliga. Die einst stolzen Löwen kehren zurück ins Stadion an der Grünwalder Straße.
Dopingverdacht: WADA-Ermittler Richard McLaren erhebt in der ARD schwere Vorwürfe: Es habe ein Vertuschungssystem im Fußball des WM-Gastgebers Russland gegeben. Er spricht von der «Spitze des Eisberges».
JULI
Junge Wilde (II): Die verjüngte Nationalmannschaft gewinnt den Confed Cup in Russland mit einem 1:0 im Finale gegen Chile. Herausragend: Timo Werner als Torschützenkönig des Turniers mit drei Treffern und zwei Vorlagen. Allerdings ist noch nie ein Team, das den WM-Vorlauf gewonnen hat, ein Jahr später auch Weltmeister geworden.
Ablösewahn (I): Nach wochenlangem Theater wechselt Kölns Torjäger Anthony Modeste ins Reich der Mitte für etwa 35 Millionen Euro zum TJ Quanjian. Etwa elf Millionen Euro soll er in China verdienen. Borussia Dortmund schiebt einem ähnlich teuren Transfer von Pierre-Emerick Aubameyang zu Real Madrid einen Riegel vor.
Am Boden: Der deutsche Frauenfußball kannte das Wort Krise bislang nicht. Sechs EM-Titel in Serie – und dann das Viertelfinal-Aus für die Olympiasiegerinnen gegen Dänemark. Der neuen Bundestrainerin Steffi Jones vergeht das Lächeln.
AUGUST
Ablösewahn (II): 222 Millionen Euro für Brasiliens Superstar Neymar. Paris Saint-Germain und sein katarischer Präsident Nasser Al-Khelaifi machen es möglich. Ein Weltrekord, der die Fans spaltet. Bei Borussia Dortmund streikt das 20-jährige Juwel Ousmane Dembélé – damit der FC Barcelona einen Teil der Neymar-Millionen (in diesem Fall 105 Millionen Euro) für ihn ausgeben darf.
SEPTEMBER
Späte Berufung: Zwei Jahrzehnte hat Bibiana Steinhaus darauf hin gearbeitet, am dritten Spieltag darf sie bei Hertha BSC – Werder Bremen als erste Frau ein Bundesliga-Spiel pfeifen. Die 38-Jährige macht es trotz des Rummels souverän und sagt danach: «Ich bin einfach froh, dass es vorbei ist.»
Aufreger (I): In der Bundesliga erwischt Wolfsburgs Keeper Koen Casteels Stuttgarts Kapitän Christian Gentner mit dem Knie am Kopf und bricht ihm diverse Knochen im Gesicht. Vom Platz fliegt er deshalb nicht – zu Unrecht? Auch der Videobeweis kann die Debatten darüber nicht auflösen.
Aufreger (II): Augsburgs Profi Daniel Baier macht eine so obszöne Geste gegenüber Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl, dass dieser völlig außer sich gerät. Baier braucht eine Weile, bis er sich entschuldigt für eine Aktion, die man durchaus als Pantomime für das Schimpfwort Wichser bezeichnen kann.
OKTOBER
Aufreger (III): Ralf Rangnick, im Fußball schon oft einen Schritt voraus, erfindet den Handy-Video-Beweis. Im DFB-Pokal-Spiel gegen den FC Bayern fuchtelt Leipzigs Sportdirektor mit seinem Smartphone dem Schiedsrichter vor der Nase herum, weil er sein Team benachteiligt sieht. Die Münchner drängen ihn ab.
Rückkehr des Rentners: Nach dem Rauswurf von Carlo Ancelotti holen der FC Bayern und Uli Hoeneß Jupp Heynckes (72) weg von Heim, Hund und Hof. «Meine Tochter und meine Frau haben mir zugeraten. Dann hat Cando zweimal gebellt, dann war das alles in trockenen Tüchern», sagt er.
NOVEMBER
Trauer: Hans Schäfer, einer der Helden von Bern, stirbt im Alter von 90 Jahren. Als Trainer führte «de Knoll» den 1. FC Köln 1962 und 1964 zum Meistertitel. Aus der Weltmeister-Mannschaft von 1954 lebt jetzt nur noch Horst Eckel vom 1. FC Kaiserslautern.
Keine Fahrkarte: «Ohne Holland fahr’n wir zur WM» ist das eine. Aber ohne den viermaligen Weltmeister Italien? Unvorstellbar, aber wahr – erstmals seit 1958. Torhüter-Legende Gianluigi Buffon weint nach der Playoff-Pleite gegen Schweden und tritt zurück. Dafür feiert sich Island als Turnier-Neuling – mit einem tausendfachen «Huh!»
Fehlpass: Die Tingel-Tour von Chinas U20 gegen Südwest-Regionalligisten wird abgebrochen. Einige Clubs hatten sich von vornherein dagegen ausgesprochen. Anhaltende Tibet-Proteste verärgern auch noch die Gäste.
Pannenserie: Der Videobeweis sorgt pausenlos für Ärger in der Bundesliga, bei den Vereinen und Fans. Projektleiter Hellmut Krug wird nach einem Kommunikations-Chaos abgesetzt. Dabei hatte der DFB immer darauf verwiesen, dass er gut vorbereitet sei. «Panik Room» titelt das Magazin «Elf Freunde» über einem Foto der Überwachungszentrale in Köln.
Spiel des Jahres (II): «Jahrhundertderby» – so heißen die Schlagzeilen nach dem 4:4 zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04. Der BVB vergeigt ein 4:0 im 151. Duell der Revierclubs.
DEZEMBER
Spiel des Jahres (III): Im Schneematch wühlt sich der SC Freiburg zu einem 4:3 beim 1. FC Köln. Dabei hatte das Schlusslicht 3:0 geführt, lag selbst in der 90. Minute noch 3:2 vorn. Held des Abends ist Nils Petersen mit drei Treffern. Am Tag danach muss Kölns Trainer Peter Stöger gehen – ohne einen einzigen Liga-Sieg und mit nur drei Zählern in dieser Saison.
Stöger (II): Nur sieben Tage später ist der Österreicher Chefcoach bei Borussia Dortmund, wo Peter Bosz den Laufpass bekommen hat. Zyniker sagen: Immerhin weiß Stöger, wie man drei Punkte holt.
Eurosternchen: In der Europa League fliegen alle drei Bundesliga-Clubs – 1899 Hoffenheim, Hertha BSC und der 1. FC Köln – nach den Gruppenspielen raus. In der Champions League überwintert mit dem FC Bayern München nur ein deutsches Team. RB Leipzig und Borussia Dortmund, das zweimal 1:1 gegen Apoel Nikosia aus Zypern spielt, machen in der Europa League weiter.
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(dpa)