Austin – Der Anfang war so schön. «Es gibt viele Märchen über Ferrari und wie es sich anfühlt, ein rotes Auto zu fahren», sagte Sebastian Vettel im Dezember 2014: «Am Ende kann ich diese Märchen nur bestätigen. Es handelt sich nicht bloß um eine Geschichte, da existiert eine echte Legende.»
Vettel hatte gerade die ersten Runden in einem Formel-1-Auto des Rennstalls mit dem größten Mythos-Faktor gedreht – begeistert, ergriffen, demütig. Nach vier Titeln mit Red Bull und einem sieglosen Abschiedsjahr wollte Vettel mit Ferrari in eine neue Ära starten.
Vier Jahre später muss Vettel womöglich schon an diesem Sonntag beim Großen Preis der USA in Austin mitansehen, wie sich wieder ein anderer für den WM-Triumph feiern lassen kann. Dass Lewis Hamilton es in diesem Jahr gelingen wird, ist unzweifelhaft. Ein Sieg auf einer seiner Lieblingsstrecke in einem seiner Lieblingsländer und nur Rang drei für Vettel – dann ist Hamilton der Sieger des ersten Duells viermaliger Weltmeister der Motorsport-Königsklasse, und Vettel der Verlierer.
Schon wieder. Die vierte Ferrari-Saison, zum vierten Mal das große Ziel verfehlt. Vettels Trost: Sein großes Vorbild Michael Schumacher schaffte es auch erst im fünften Jahr mit der Scuderia. «Wenn man letzten Endes annähernd so erfolgreich wäre, dann wäre das schon ein Riesending», sagte Vettel nach einem ersten Testtag vor seiner ersten Saison im Ferrari im Februar 2015. Ganz richtig fand und findet er den Vergleich mit der Schumacher-Zeit sowieso nicht.
Sein Teamchef zog ihn aber jetzt erst wieder. «Es braucht Talent und Entschlossenheit, ansonsten erreichst du gar nichts. Michael Schumacher war so und Sebastian Vettel sieht ihm sehr ähnlich, und seine vier WM-Titel mit Red Bull sind der Beleg dafür», sagte Maurizio Arrivabene italienischen Medien vor der Abreise zum PS-Doppelpack in den USA und eine Woche später in Mexiko. «Ich bin sicher, dass Sebastian Vettel die WM mit Ferrari früher oder später gewinnen wird», ergänzte der 61-Jährige.
Ob mit Arrivabene als Teamchef, bleibt fraglich. Die titellose Zeit ist kein Empfehlungsschreiben für den ehemaligen Manager eines Zigarettenherstellers, der beim großen Umbruch und Neuanfang mit Vettel zum Teamchef ernannt worden war.
Schumachers damaliger Teamchef hieß Jean Todt. Zuvor schon sehr erfolgreich als Verantwortlicher im Rallye-Sport und mittlerweile Präsident des Internationalen Automobilverbandes FIA, hatte er den deutschen Piloten nach dessen beiden Titeln für Benetton zur Scuderia geholt. Und mit ihm Ross Brawn, mittlerweile einer der Formel-1-Direktoren.
Ein Franzose, bekannt für seine sehr konsequente Art, und ein ruhiger Brite, dessen Ingenieurs-Genialität unbestritten ist. Nicht umsonst soll Ferrari auch bei der Verpflichtung von Vettel angeblich versucht haben, Brawn zurückzugewinnen.
Zu Schumachers Zeiten wurde Ferrari berühmt und berüchtigt für seine kompromisslose Stallorder. Vettel kosteten auch strategische Fehler im Duell mit Noch-Teamkollege Kimi Räikkönen Punkte. Hinzu kommt der Einbruch in der zweiten Saisonhälfte wie vor einem Jahr.
Denn 2018 begann so schön für Vettel: Sieg beim Auftakt in Melbourne, Sieg danach in Bahrain. Der Motor galt auf einmal als der stärkste im Feld. Von den zurückliegenden sieben Rennen konnte Vettel aber nur noch einmal – in Belgien – gewinnen, der Rest ging an Hamilton, der vier Rennen vor Schluss 67 Punkte Vorsprung auf Vettel hat und seinem fünften Titel entgegenfährt.
Mercedes entschied mit der Erfahrung des Serien-Weltmeisters das Entwicklungsrennen für sich. Ferrari scheint nach dem Tod von Präsident Sergio Marchionne im Juli, der auch öffentlich Team und Fahrer anzählte und in die Pflicht nahm, keinen echten Antreiber mehr zu haben.
Hamilton kann nun mit der argentinischen Legende Juan Manuel Fangio gleichziehen. Er wäre dann nur noch zwei Titel von Schumacher entfernt – nicht Vettel. «Ich denke, den Vergleich heranzuziehen, ist nicht ganz richtig», sagte dieser im Februar 2015 auf die Frage, ob er in ähnlichen Zyklen denke, nachdem Schumacher fünf Jahre für seinen ersten Titel mit Ferrari gebraucht hatte.
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(dpa)