Krakau – Die Zeit ist reif für einen neuen Titel. Acht Jahre nach dem Triumph von Manuel Neuer, Sami Khedira & Co. will die aktuelle DFB-Generation bei der U21-EM in Polen ihre viel beschworene «eigene Geschichte» schreiben.
Auch ohne zahlreiche von Bundestrainer Joachim Löw zum Confederations Cup beorderte Leistungsträger fühlt sich die deutsche Auswahl bereit für ihre knifflige EM-Mission, das Selbstvertrauen ist riesengroß.
«Wir wollen jedes Spiel gewinnen», sagt U21-Trainer Stefan Kuntz. Das Finale in Krakau am 30. Juni ist das Ziel. Die Jungprofis um den künftigen Münchner Serge Gnabry träumen vom EM-Coup – und von dem Grundstein für eine eigene Weltmeister-Story. «Wir wissen alle, was damals war, 2009. Die haben ihre eigene Geschichte geschrieben mit vielen weiteren Kapiteln», sagt Bald-Herthaner Davie Selke. «Wir wissen ganz genau, dass wir eine Riesenchance haben.»
Der Schalker Thilo Kehrer fiebert dem deutschen Auftatkmatch am Sonntag (18.00 Uhr) in Tychy gegen Tschechien entgegen. «Wir haben sehr erfolgreiche Vorgänger und wollen es denen nachmachen, aber es wird unser eigenes Turnier», sagt der 20-Jährige.
Los geht die U21-EM am Freitagabend mit der Partie von Titelverteidiger Schweden gegen England (18.00 Uhr). Neben den Briten und Deutschland gelten Spanien, Italien und Portugal um Bayerns Mulitmillionenmann Renato Sanches als EM-Favoriten.
Die U21-Europameister von 2009 und späteren Champions Manuel Neuer, Mesut Özil, Jerome Boateng, Sami Khedira, Mats Hummels und Benedikt Höwedes sind für die aktuelle Generation Vorbilder. Jetzt will die Elf um Max Meyer und Gnabry ihre Qualität mit einem Turniersieg unter Beweis stellen. «Die eigene Geschichte schreiben» – so lautet das selbst gewählte Motto des DFB-Nachwuchses.
Idol Özil glaubt an die mögliche neue Erfolgsgeschichte. «Es war zuletzt häufig so, dass die Gewinner der Junioren-Turniere auch später bei den A-Nationalmannschaft Titel geholt haben. Alleine das sollte für jeden Spieler Motivation genug sein», sagte der Weltstar.
23 Spieler hat Kuntz in seinen EM-Kader berufen, darunter Gnabry, Meyer, Selke und Jeremy Toljan als vier Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele in Rio. Es fehlen aber viele Stützen des Teams aus der überzeugenden EM-Qualifikation, die die Auswahl mit zehn Siegen aus zehn Spielen abschloss. Gleich acht mögliche U21-Profis reisen statt zur EM mit dem A-Nationalteam zum Confed Cup nach Russland.
Über das Fehlen von Stützen wie Joshua Kimmich, Julian Brandt, Leon Goretzka, Timo Werner oder Matthias Ginter will sich bei der U21 niemand beklagen. «Wenn wir zehn gute Spieler verlieren, kommen immer noch zehn gute nach», sagt Kapitän Maximilian Arnold. «Deswegen beschäftigen wir uns eigentlich gar nicht damit.» Für Kuntz ist es eine «Herausforderung, wenn ein oder zwei von denen, die du schon als Haupt-Puzzleteil gesehen hast, in einem größeren Puzzle mitspielen».
Für Bundestrainer Joachim Löw ist die U21-EM wie der Confed Cup nur ein Zwischenschritt. «Über allem steht die WM 2018. Die WM ist das allergrößte Turnier», sagt er. Sportdirektor Horst Hrubesch sagt zur Rolle der U21: «Unser Auftrag im Nachwuchsbereich bleibt der gleiche: Wir sind der Unterbau der A-Nationalmannschaft und wir liefern.»
Die neu formierte U21 muss nach acht Tagen Trainingslager in Grassau und dem letzten Feinschliff in Krakau jedenfalls gleich zum EM-Beginn gegen Tschechien voll da sein. Die EM findet erstmals mit zwölf Teams in drei Gruppen statt, wodurch nur die drei Gruppensieger und der beste Gruppenzweite ins Halbfinale einziehen. «Das ist schon knackig, wir wissen ganz genau, dass wir uns keine Fehler erlauben können», mahnt Selke. Weitere Vorrunden-Gegner sind Dänemark und Italien.
Die meisten anderen Nationen – mit Ausnahme von Portugal – haben im Gegensatz zur DFB-Auswahl nicht die Doppelbelastung durch den Confed Cup. «Spanien kommt mit kompletter Hütte. Italiens Trainer hat gesagt, das ist die beste U21, die sie je hatten», urteilt Kuntz. «Damit haben wir schon den Unterschied, wir spielen mit einer halben oder dreiviertel U21 den Confed Cup.»
Die Spieler selbst erhoffen sich durch einen möglichen EM-Triumph einen Schub – wie bei den U21-Europameistern von 2009. «Die haben Top-Karrieren gestartet, das ist auch unser Ziel», sagt Selke. Sportdirektor Hrubesch prophezeit dem Nachwuchs: «Die Kräfte, die beim sportlichen Erfolg frei werden, können die Jungs über viele Jahre tragen und sie in ihrer Entwicklung entscheidend prägen.»
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(dpa)