Rio de Janeiro – Was bleibt im Gedächtnis von diesen Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, den ersten in Südamerika?
Geht es nach IOC-Präsident Thomas Bach, das erste Gold für die Fidschi-Inseln, die historische Erfolgsbilanz des US-Schwimmers Michael Phelps, leidenschaftliche brasilianische Fans, jede Menge Partystimmung – die Liste ist lang.
Kurzum: Die olympische Familie ist gut beieinander, was auch die Solidarität mit dem wirtschaftlich angeschlagenen Gastgebern zeige. «Iconic» sind diese Spiele für den deutschen Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) eben in vielerlei Hinsicht. Vielleicht ist epochal eine passende Übersetzung dafür.
Ein IOC-Präsident weiß natürlich, dass, wenn er seine Bilanz der Weltpresse schildert, die Fragen dazu in eine andere Richtung gehen. Wie groß ist der Imageschaden, wenn ein IOC-Spitzenfunktionär in Rio wegen illegaler Geschäfte mit Olympia-Tickets festgenommen wird? Würde das IOC die Vergabe an Rio angesichts zahlloser Pannen, Sicherheitsprobleme und vieler Wettkämpfen vor leeren Rängen wieder befürworten? Und warum so viel Nachsicht mit der Sportgroßmacht Russland, der staatlich gedecktes Doping nachgewiesen ist?
Auf einiges möchte Bach nur kurz antworten. «Es gilt die Unschuldsvermutung», sagt er zum in Haft sitzenden Patrick Hickey, einem Mann aus seinem engen Führungszirkel. «Ja», lautet die Antwort zur Vergabe der Spiel an Rio. Kurze Pause, dann doch erklärende Sätze: «Das sind Spiele mitten in der Wirklichkeit.» Und eben nicht in einer Blase organisiert.
Und überhaupt verstehe er die Kritik nicht. Die Botschaften, die das IOC aus den sozialen Netzwerken höre, seien ganz anders: «Spiele der Menschen», «Fröhlichste Spiele bisher», «Wunderschöne Spiele» und «Spiele der Leidenschaft». Das bringe ihn nun in Verlegenheit. «Für die Abschlussfeier muss ich etwas anderes finden», sagt Bach.
In der Doping-Frage holt er dann doch weit aus, um den Kurs des IOC, Russlands Mannschaft trotz drückender Beweislast starten zu lassen, wieder einmal zu rechtfertigen. Gerechtigkeit müsse Athleten, auch russischen, geschehen. Bach erinnert an seinen – letztlich vergeblichen – Kampf als deutscher Athletensprecher gegen den Boykott der Moskau-Spiele 1980 nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan.
Er habe ein «Déjà-vu», wenn er die aktuelle Debatte so betrachte. «Das Gleiche passiert gerade in einigen Medien, besonders in meinem Land», beklagt sich Bach. Auch damals habe «gewaltiger politischer Druck» auf ihm gelastet. Er sei als Vaterlandsverräter und Kommunist beschimpft worden. Und dann erinnert er noch daran, dass vor den Olympischen Spielen in Barcelona 1992 niemand einen Ausschluss der gerade wiedervereinigte deutschen Mannschaft verlangt habe, obwohl in der DDR von Staats wegen systematisch Doping betrieben worden sei.
Thomas Bach ist im September 2013 bei seiner Wahl auf der 125. Session als Reformer angetreten. In Rio erlebt der neunte IOC-Präsident seine ersten Sommerspiele, die eben nicht nur schöne Bilder von der Copacabana und dem Zuckerhut geliefert haben. Aus dem IOC dringt kaum offene Kritik am Präsidenten an die Öffentlichkeit.
Von der Hauptversammlung aller IOC-Mitglieder ließ er sich vor Beginn der Spiele den Kurs in der Causa Russland demonstrativ absegnen – bei einer Gegenstimme. Dass er dann bei der Eröffnungsfeier kein Wort zu diesem Krebsgeschwür des Leistungssport verlor, fiel auf. Wie die Arbeit des IOC-Präsidenten gesehen wird, hängt sicher vom weiteren Handlungswillen beim Thema Doping ab.
Fotocredits: Sergei Ilnitsky
(dpa)