München – Auf so eine Bühne hat Tim Wiese gewartet. Ring statt Rasen, Prügel statt Paraden, und ganz dicke Muskeln: Fast vier Jahre nach dem letzten Spiel als Profifußballer gibt der Ex-Nationaltorwart sein Wrestling-Debüt.
In der Münchner Olympiahalle soll an diesem Donnerstagabend für Wiese die zweite Sport-Karriere beginnen, nachdem 1899 Hoffenheim im Januar 2013 für ihn als Keeper keine Verwendung mehr hatte. Unter dem Kampfnamen «The Machine» will es der 34-Jährige als Showkämpfer nach unzähligen Stunden im Fitnessstudio noch einmal wissen. Dass er dafür auch belächelt wird, scheint ihm egal.
Bei einem Live-Event der World Wrestling Entertainment (WWE) bekommt Wiese in einem sogenannten Six-Man-Tag-Team-Match seine erste Bewährungsprobe im neuen Metier: An der Seite der Szene-Größen Cesaro und Sheamus kämpft er gegen The Shining Stars mit Bo Dallas.
«Für mich zählt nur eines, der Sieg. Ich kann nicht als Loser aus dem Ring gehen», tönte der einstige Bundesliga-Profi und Nationalspieler am Vortag des Events in Frankfurt. Vor Dutzenden Journalisten bewies Wiese im grauen Muskelshirt und mit Flieger-Sonnenbrille, dass er zumindest in punkto Großmaul gut in das Business zu passen scheint.
«Es gibt nur ein Ziel, die Zerstörung meiner Gegner!», sagte Wiese. «Meine Taktik: Ich fackel nicht lange, ich haue halt drauf. Wenn die Arbeit kommt, komme ich. Ich gehe ohne Angst in den Ring. Die anderen müssen Angst haben.» In der «Sport Bild» verkündete Wiese, er werde «wie ein Tornado durch den Ring fegen, das wird meinen Gegnern wehtun. Ich bin eine deutsche Eiche, eine deutsche Maschine.» Dass ihm die WWE den Namen «The Machine» gab, passt dann ja.
Ein Comeback auf dem Rasen ist kein Thema für den Familienvater. «Ich werde jetzt 35. Ich denke, das ist das beste Alter für Wrestling. Mit dem Fußball habe ich längst abgeschlossen», sagte er. Dabei war er ohnehin nie ein gewöhnlicher Kicker oder gewöhnlicher Keeper. Neben dem Talent auf der Torlinie war das Auffallen stets eines seiner Markenzeichen. Grellpinke Trikots, extrem gegelte Haare, Lamborghini: Wiese polarisierte und unterhielt, nur zurückhaltend gab er sich nie.
Nach seinem Bundesliga-Debüt 2002 mit dem 1. FC Kaiserslautern hatte er bei Werder Bremen die erfolgreichste Zeit, wurde 2009 Pokalsieger und stand ein Jahr darauf im deutschen WM-Kader, der in Südafrika Platz drei holte. Nach seinem Wechsel zu Hoffenheim 2012 ging es bergab, mit der Degradierung in die Trainingsgruppe 2 endete Wieses Fußballer-Karriere. Doch nun will er wieder in die Öffentlichkeit.
Für seine zweite Karriere hat sich der gebürtige Bergisch Gladbacher im Gym gequält und im Vergleich zu seinem Fußballer-Gewicht fast 30 Kilogramm zugelegt. «117 Kilo reine Power» bringe er auf die Matte. Das Wachsen der Muskelberge konnten die Fans stets mitverfolgen, in sozialen Netzwerken präsentierte sich der solariumgebräunte Wiese mit regelmäßigen Selfies. #breitwienie ist ein bevorzugter Hashtag.
Die WWE setzt auf Typen wie Wiese, um das Unternehmen international nach vorne zu bringen. Künftig will die Organisation die Hälfte ihres Umsatzes – der 2015 knapp 660 Millionen Dollar betrug – außerhalb der USA erlösen. «Deutschland ist ein strategischer Wachstumsmarkt», sagte WWE-Manager Ed Wells der «Welt am Sonntag». Wieses Tag-Team-Partner Cesaro – ein gebürtiger Schweizer – meint: «Mit Tim wird es möglich sein, eine völlig neue Generation zu begeistern.»
Für Wiese geht es darum, sich zu behaupten. Der Ausgang der Kämpfe ist zwar abgesprochen. An den Athleten selbst liegt es aber, sich zu inszenieren und die Fans zu begeistern. «Ich weiß, dass Tim als ehemaliger Leistungssportler alles mitbringt, was es braucht, um sich auf ein Ziel zu fokussieren und dann alles zu geben, um es zu erreichen», meinte WWE-Vizepräsident Paul Levesque, der als Triple H selbst einer der größten und erfolgreichsten Wrestler im Ring ist.
Fotocredits: Susann Prautsch
(dpa)