Rio de Janeiro – Sie kämpfen, als gäbe es kein Morgen. Mit dem gleichen Herzblut wie auf dem Weg zum EM-Titel haben sich die deutschen Handballer in Rio de Janeiro ins erste olympische Viertelfinale seit 2004 gespielt.
«Wir haben auf jeden Fall gezeigt, dass wir eine gute Mannschaft sind. Wir leben nicht von Stars, sondern vom Teamgeist», sagte Bundestrainer Dagur Sigurdsson nach dem 28:25 (11:12) gegen Slowenien.
Zum Vorrundenabschluss spielt die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) an diesem Montag (16.30 Uhr MESZ) gegen Afrikameister Ägypten um den Gruppensieg. «Da wollen wir nochmal durchpowern», sagte Rückraumspieler Paul Drux.
Nicht einmal von gesundheitlichen Problemen hat sich der Europameister stoppen lassen. Kreisläufer Patrick Wiencek spielte, obwohl er von Magen-Darm-Problemen geschlaucht war. «Er war krank, schwer krank. Er hat vor dem Spiel gekotzt in der Kabine», berichtete Sigurdsson und fügte an: «Das zeigt dann den Einsatzwillen und was die alles dafür tun, um weiterzukommen. Das macht mich stolz.»
Mehr noch als der fiese Virus setzten den deutschen Spielern jedoch die Gegner zu. Außer gegen Polen mussten sie immer wieder Rückständen hinterherlaufen und Comeback-Qualitäten unter Beweis stellen. «Wir wissen, dass wir eine Mannschaft sind, die zusammensteht. Dass wir in vielen Spielen schon gezeigt haben, dass wir wieder zurückkommen können», sagte Drux, der bislang ein imponierendes Turnier spielt. «Wir lassen uns nicht von irgendwas abhalten», befand Spielmacher Martin Strobel.
So ließen sich die deutschen Handballer nach den Siegen gegen Schweden und Polen auch von der unerwarteten 30:33-Niederlage gegen Gastgeber Brasilien nicht aus der Bahn werfen. «Es ist gut zu wissen, dass man wieder ein gutes Spiel hingelegt hat nach der Niederlage, was für den Kopf extrem wichtig ist», meinte Drux.
Dabei hat der Europameister sein Potenzial noch lange nicht ausgereizt. «Es ist noch Luft nach oben», befand Abwehrrecke Finn Lemke. Damit sprach er Delegationsleiter Bob Hanning aus dem Herzen. «Es ist wichtig, dass die Mannschaft auch aus dem Unsinn lernt, den sie manchmal noch macht», sagte der DHB-Vizepräsident Leistungssport.
Allein Kampfgeist, mannschaftliche Geschlossenheit und Einsatzwillen aber hätten nicht gereicht. Vielmehr hat Sigurdsson mit seinen Assistenten Axel Kromer und Alexander Haase akribisch an der Taktik getüftelt. Die Möglichkeiten durch die neue Regel, dass ein siebter Feldspieler für den Torwart eingesetzt werden kann, nutzt kaum eine Mannschaft so konsequent wie die deutsche. «Wenn wir es brauchen, können wir es auspacken», sagte Strobel.
Im Vorfeld wurde extra ein Seminar angesetzt. «Wir haben einen ungewöhnlich starken Austausch mit einem großen Pool von Trainern gehabt», sagte Sigurdsson. Das Ergebnis ist für Jedermann sichtbar – insbesondere an den schon vier Turniertoren von Schlussmann Andreas Wolff. Er hat extra an der Präzision beim Wurf aufs leere Tore über das gesamte Spielfeld gearbeitet. «Das ist auch notwendig, weil es ein probates Mittel ist, um den siebten Feldspieler mindestens einzugrenzen», erklärte Wolff.
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(dpa)