Engelberg – Mit dem Siegerlächeln von Richard Freitag und ganz viel Selbstvertrauen verlassen die deutschen Skispringer um ihren Gelbträger das idyllische Engelberg.
Vier Weltcup-Siege in diesem Winter und das Trikot des derzeit überragenden Gesamtführenden Freitag sind der Beweis für die große Stärke der DSV-Adler, die mit so guten Vorleistungen zur Vierschanzentournee fahren wie seit 17 Jahren nicht mehr. «Das ist eine ganz tolle Geschichte für ihn, mit einem Sieg vor Weihnachten das erste Viertel abzuschließen», sagte Bundestrainer Werner Schuster über Top-Athlet Freitag.
Über zehn Punkte legte der 26-Jährige beim letzten Springen vor der Tournee zwischen sich und die Konkurrenz. «Es war ein großartiger Wettkampf mit sehr guten Sprüngen», sagte Freitag, der seit diesem Winter einen markanten Schnauzbart trägt. Sein achter Weltcup-Sieg, der dritte in diesem Winter, hievte ihn endgültig auf die höchste Stufe der Favoriten für den ersten Saisonhöhepunkt. «Dass er so stabil springt, ist eine Riesenfreude», sagte Schuster im ZDF.
Mit Andreas Wellinger (zweimal Sechster) und Markus Eisenbichler, der am Sonntag Rang fünf belegte, hat der Bundestrainer ein stabiles Trio, mit dem er zwischen Weihnachten und Silvester die Mission erster Tournee-Sieg seit Sven Hannawald 2001/2002 anvisieren kann. Bei der 66. Ausgabe des Schanzen-Spektakels macht Oberstdorf am 30. Dezember den Auftakt. «Das ist toll für uns, dass wir mit drei Top-Leuten reingehen können», betonte Schuster.
Nicht die Prevc-Brüder aus Slowenien, nicht Stefan Kraft aus Österreich und auch nicht Titelverteidiger Kamil Stoch führen derzeit im Gesamtweltcup, sondern die deutsche Doppelspitze Freitag und Wellinger. «Es freut mich, wenn sich die anderen mit uns beschäftigen, denn dann können sie sich nicht mit sich selbst beschäftigen», sagte Schuster. Sein DSV-Team sieht er auch ohne den verletzten Olympiasieger Severin Freund «in einer Superposition».
Einzelsiege von Freund oder Freitag gab es auch in den vergangenen Tournee-Jahren, eine Favoritenstellung wie in diesem Jahr aber lange nicht mehr. Gerade Freitag wirkt stabil und konstant, kein anderer Athlet im Feld spult derzeit so souverän bei Wind, Wetter und Turbulenzen sein Programm an der Schanze ab wie der im Sommer nach Oberstdorf gewechselte Sachse. «Es ist ein bisschen Routine dazugekommen, er ist in der Persönlichkeit nochmal gereift. Ich glaube, es ist eher die Routine und die menschliche Reife, die ihn jetzt viel gelassener werden lassen», sagte Schuster.
Die Springer lassen sich von ihrer neuen Rolle nicht irritieren. Gerade der im Weltcup bislang dominante Freitag kann gar nicht oft genug wiederholen, wie eng das Weltcup-Feld in diesem Olympia-Winter beisammen ist. Der Samstag in Engelberg war der Beweis: Nur 0,1 Punkte trennten Freitag vom Sieg, umgerechnet 5,55 Zentimeter sprang der Norweger Anders Fannemel weiter.
Während in Trainingssprüngen der Rhythmus fehlte, legte der Sachse im Wettkampf mal wieder zu. Oder wie Freitag sagt: «Dann haben wir die Musik nochmal ein bisschen lauter gedreht.» Auf Trubel, Lautstärke und Euphorie werden sich die DSV-Adler bei der Tournee einstellen müssen. Freitag scheint mit dem Druck zurzeit klarzukommen, wie er am Sonntag bewies.
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(dpa)