Astana – Edelmetall besitzt Kasachstan eigentlich genug. Im Boden des Steppenstaats schlummern riesige Mengen an Kupfer, und gerade hat die Regierung ihre Goldreserven auf 224 Tonnen erhöht. Nun kommen sechs Gramm Gold hinzu – in der Olympia-Siegermedaille von Gewichtheber Nijat Rachimow.
Die Freude über den Triumph im weit entfernten Rio de Janeiro ist in dem zentralasiatischen Land riesengroß. «Sieg! Sieg! Sieg!», schreit der Moderator des Staatsfernsehens. Und in einer Art Dauerschleife läuft der kaukasische Freudentanz des gebürtigen Aserbaidschaners Rachimow.
Anderswo wird die Euphorie über die Goldmedaille mit Weltrekord in der Kategorie bis 77 Kilo nicht geteilt. Rachimow war 2013 wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt worden, den erstaunlichen Leistungssprung seit seiner Rückkehr hält auch Bronze-Gewinner Mohamed Mahmoud für verdächtig. «In so einer kurzen Zeit kann so etwas nicht gelingen», sagt der Ägypter. Eigentlich sollten mehrere Länder, darunter Kasachstan, nach Willen des Gewichtheber- Weltverbands IWF nicht bei den Sommerspielen antreten. Doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) schloss das Dopingverfahren nicht rechtzeitig ab.
Rachimow sind solche Spekulationen offenbar gleichgültig. «Ich habe geweint, weil mein ganzes Leben vor meinem geistigen Auge vorbeizog. Der Weg auf dieses Siegerpodest war so weit», sagt der 22-Jährige. «Wenn andere schliefen, gingen wir zum Training. In kniehohem Schnee stapften wir um Mitternacht zur Halle. Danke an alle, die mich unterstützt haben – es sind so viele», erzählt er.
Traditionell lieben die Kasachen Sportarten, bei denen Mann gegen Mann kämpft. Boxen und Ringen stehen hoch im Kurs, allenfalls Fußball kann mithalten. Doch auch Sportfans in Kasachstan denken wohl nicht, dass Rachimows Leistungssteigerung allein mit gegorener Stutenmilch und gekochtem Pferdefleisch – dem Nationalgericht – zustande kam. Unangenehme Doping-Recherchen drohen Sportlern in ihrer autoritär regierten Heimat bislang allerdings nicht.
Falls es überhaupt um das internationale Reizthema geht, fragen kasachische Journalisten ihre Profis allenfalls, welche «neuen Gemeinheiten» sich die westlichen Kontrolleure einfallen ließen. Das war schon vor Jahren so, als der Rad-Rennstall Astana – benannt nach der kasachischen Hauptstadt – mit Olympiasieger Alexander Winokurow nicht nur für positive Schlagzeilen sorgte.
«Das Team Astana ist in Kasachstan ein Prestige-Projekt für die nationale Elite. Unsere Neureichen sind am Sport interessiert und wollen ihr Land an der Spitze sehen», sagte damals der kasachische Medienberater Oleg Kazijew. Daran hat sich wenig geändert, wie unter anderem die Bewerbung für Olympische Winterspiele in Almaty zeigt.
Dass das Land an der Grenze zwischen Russland und China sportlich groß auftrumpft, liegt auch an Präsident Nursultan Nasarbajew. Der schon seit Sowjetzeiten amtierende Herrscher pumpt Millionen aus dem lukrativen Öl- und Gasgeschäft in den Sport. Wie lange die Mittel des spendablen Staatschefs allerdings reichen, ist ungewiss. Der Verfall des Ölpreises trifft das rohstoffreiche Land hart. Da sich Kasachstan in einem Wirtschaftsverbund mit Russland befindet, beeinflusst die Talfahrt des russischen Rubels auch die Landeswährung Tenge.
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(dpa)