Düsseldorf – Ein Großer tritt ab. Und schon vor seinem emotionalen Abschiedsabend im Trikot des Fußball-Weltmeisters präsentierte sich Bastian Schweinsteiger bei seiner letzten Pressekonferenz auf dem DFB-Podium sehr reif und souverän.
Der 32-Jährige gewährte in einem Düsseldorfer Autohaus bei der Einordnung seiner Ausbootung bei Manchester United sogar einen seltenen Blick in sein Seelenleben. «Trotz dieser Situation jetzt geht es mir gut», sprach er leise ins Mikrofon. Das mit dem FC Bayern München verlorene «Finale dahoam» in der Champions League 2012 gegen den FC Chelsea sei «ein schwierigerer Moment» gewesen. Es war und ist bis heute seine schlimmste Niederlage als Sportler, am Tag danach habe er zum einzigen Mal keine Lust mehr am Fußball verspürt.
«Ich bin reifer geworden. Ich habe Höhen und Tiefen erlebt.» Und zum Ende seiner schillernden Laufbahn, die im Nationalteam als blonder Lausbub Schweini begann und nun als ergrauter Herr Schweinsteiger am Mittwoch (20.45 Uhr) in Mönchengladbach gegen Finnland mit dem 121. Einsatz für Deutschland endet, erlebt der Weltmeister nach seiner erfolgreichen Zeit beim FC Bayern München in England nochmal eine Schattenseite. «Das Fußballgeschäft ist ein hartes Business und leider nicht nur Sport», resümierte er nach 14 Profijahren.
Sehr aufgeräumt wirkte Schweinsteiger nach dem Sommerurlaub, in dem er die serbische Tennis-Queen Ana Ivanovic geheiratet hat und damit in eine neue Lebensphase getreten ist. Privatier will er aber noch nicht werden. «Ich werde sicherlich nicht aufhören, Fußball zu spielen.» Am liebsten bei ManUnited, wo er noch bis 2018 unter Vertrag steht, wo ihn Trainer José Mourinho aber aufs Altenteil geschoben hat.
Ein böses Wort kommt ihm dennoch nicht über die Lippen. Er berichtet vielmehr von einem «guten Austausch», den er mit dem Trainer gehabt habe. «Ich habe mit José Mourinho kein Problem.» Es bleibe sein «absoluter Traum», nochmal für Manchester United zu spielen. «Abwarten, was im September, Oktober passiert.» Schweinsteiger hält sich weiterhin für gut genug, um in der Premier League mithalten zu können: «Wenn ich eine faire Chance bekomme, glaube ich daran. Ich habe bei der EM im Halbfinale gestanden für eine Mannschaft, die amtierender Weltmeister ist.» Ansonsten könnte im Winter das folgen, was viele erwarten: Ein Wechsel in die Major League Soccer. «Amerika ist natürlich eine Option», bestätigte er in Düsseldorf.
Nach dem 0:2 im EM-Halbfinale gegen Frankreich hatte er einen spontanen Rücktritt aus der Nationalelf vermieden. Aber in den Flitterwochen ging er in Klausur. Er stellte sich die Frage, ob er noch die Leidenschaft für eine vierte WM-Teilnehme 2018 hätte aufbringen können. «Ich musste ehrlich zu mir sein», schilderte er die Überlegungen. Und die ehrliche Antwort lautete: «Nein!»
Beim Blick zurück auf zwölf DFB-Jahre, die Anfänge mit 19, die Krönung in einem von ihm heroisch und blutverschmiert geführten WM-Finale 2014, leuchten seine Augen. «Ich hatte wunderbare Jahre hier, ich spüre eine tiefe Dankbarkeit. Davon träumt man als kleiner Junge.» Lange sah es so aus, als wenn er sogar Lothar Matthäus (150 Einsätze) als Rekordnationalspieler ablösen könnte. 175 Länderspiele wären seit dem Debüt im Juni 2004 möglich gewesen, aber gerade in den letzten Jahren fehlte er immer häufiger aus Verletzungsgründen.
Das von Bundestrainer Joachim Löw ermöglichte «Servus Basti» im Borussia-Park will er genießen. Er freue sich, auch wenn das Stadion nicht voll sein werde. «Natürlich wird es emotional.» Enge Freunde und die Familie werden dabei sein. «Mal sehen, wie lange die Luft hält», scherzte er. Die Aufstellung der Mannschaft überlässt ihm Löw nicht. «Aber es sind ja alles gute Spieler, die hier sind. Da bin ich schon mal beruhigt. Ich brauche gute Läufer neben mir.»
Nach rund einer Stunde plant Löw den Moment, in dem Schweinsteiger der letzte große Applaus gehören soll. Es könnte ein symbolischer Akt werden, weil er die Kapitänsbinde direkt weiterreichen könnte an seinen designierten Nachfolger. «Ich weiß noch nicht, an wen ich die Binde weiterreichen darf», erklärte Schweinsteiger. Aber einen Rat für seinen Nachfolger hatte er parat. «Ein Kapitän muss nicht in erster Linie an sich selbst denken.»
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(dpa)