Pyeongchang – Wer mit Daniel Lindemann während Olympia einen Cappuccino trinken möchte, muss warten. Immer mehr Koreaner entdecken den großen, hageren Deutschen und zücken ihre Smartphones.
Geduldig steht der 32-Jährige im Café an der Strandpromenade von Gangneung – einem der Austragungsorte der Winterspiele von Pyeongchang. Junge Mädchen kichern, die Väter schießen die Fotos, Lindemann verbeugt sich.
«Die koreanischen Fans sind superlieb. Ich glaube, sie freuen sich, wenn sie mich sehen. Das hoffe ich zumindest», sagt der Fernsehmoderator. Der gebürtige Rheinländer ist in Südkorea ein echter Star. In Deutschland erkennt ihn dagegen wohl kaum jemand.
Wie fing alles an? Lindemann wird durch sein Hobby Taekwondo früh auf das asiatische Land aufmerksam, studiert später Koreanistik in Bonn, geht 2008 erstmals als Austauschstudent nach Seoul. «Ich war fasziniert von der Geschichte, der Kultur, der Landschaft und den freundlichen Menschen.» Der damalige Student schreibt in Südkorea seine Masterarbeit über die schwierigen Beziehungen zu Nordkorea.
Vor dreieinhalb Jahren bekommt der aus Langenfeld bei Köln stammende Lindemann einen Anruf, der sein Leben auf den Kopf stellt. Der Kabelsender JTBC sucht Ausländer, die in einer Show über ihre Erfahrungen in Korea und ihr eigenes Land diskutieren. Die Universität schlägt Lindemann vor, er sagt zu – aus Spaß.
Die Show, die übersetzt so viel wie «Ungewöhnliches Gipfeltreffen» heißt, wird zum Quotenhit. Darin debattieren drei Moderatoren, ein Prominenter und zwölf Ausländer über bestimmte Themen – auf Koreanisch. Lindemann erzählt, wie in Deutschland die Altersvorsorge geregelt ist und wie seine Landsleute die Rolle Deutschlands im zweiten Weltkrieg bewerten. Die offenen Worten kommen gut an bei den Zuschauern.
«Wir dachten immer, die Deutschen seien sehr ernst. Durch Daniel haben wir dieses Vorurteil überwunden», erzählt der koreanische Fan Jong Hwa Lim. «Wenn er lächelt, breitet sich sein Mund zur Seite aus. Das mögen die Mädchen an ihm.»
Lindemann lacht, als er die Komplimente hört. «Als Deutsche haben wir hier ohnehin ein Stein im Brett.» Viele Koreaner seien fasziniert von der Geschichte der friedlichen Wiedervereinigung und würden sich gleiches auch für ihr Land wünschen.
Mittlerweile hat der Deutsche mehrere Sendungen moderiert, darunter eine Bundesligashow und eine Art Reisedoku. Er hält landesweit Vorträge für eine Kaufhauskette, dreht Werbespots, ist Schauspieler und brachte kürzlich sein erstes Album heraus.
Während Olympia ist der 32-Jährige auch bei deutschen Medien gefragt. Im ARD-Studio berichtet er etwa über die koreanische Kultur. Die Leidenschaft für seine neue Heimat ist Lindemann dabei anzumerken. Mit leuchtenden Augen berichtet er, wie respektvoll die Koreaner mit älteren Menschen umgehen und wie philosophisch die Sprache mit ihren kunstvoll aussehenden Schriftzeichen aufgebaut ist.
Und das koreanische Fernsehen? «Hier ist alles etwas bunter und schriller als in Deutschland. Die meisten Sendungen werden untertitelt und mit Animationen angereichert», erklärt Lindemann. «Wenn sich zwei Moderatoren gegenseitig aufziehen, werden zum Beispiel zwei Fäuste eingeblendet. Das ist schon ganz witzig.»
Nach unzähligen Selfiewünschen im und vor dem Café in Gangneung geht Lindemann zurück ins Hotel – den Kopf meist nach unten gerichtet. Das hilft gegen einen noch größeren Fanauflauf. Den Abend verbringt er im Deutschen Haus in Pyeongchang. Dort kann er sich in aller Ruhe bewegen. Auf dem Weg zum Ausgang wird er dann doch noch angesprochen – von einer koreanischen Mitarbeiterin.
Fotocredits: Thomas Bremser
(dpa)