Palhoca (dpa) – Aus Gewohnheits-Frühaufstehern werden notgedrungen Nachtschwärmer. Bei Olympia müssen die Schwimmer spätabends ihre optimale Leistung bringen. Halbfinals und Finals finden in Rio vom 6. August an von 22.00 Uhr bis nach Mitternacht Ortszeit statt.
Die Vorläufe sind nachmittags – und wie die Finals damit vier Stunden später als üblich. Das US-Fernsehen als größter Geldgeber will es so. Wie stellen Marco Koch, Paul Biedermann & Co. ihren gewohnten Bio-Rhythmus um?
Der Deutsche Schwimm-Verband hat sich das ordentlich was kosten lassen, bis ins Detail an Feinheiten getüftelt. «Wir haben meines Wissens nach mehr getan als jede andere Nation auf der Welt. Das gibt uns ein gutes Gefühl», sagt Chefbundestrainer Henning Lambertz. «Wir haben viele gute Dinge auf den Weg gebracht.»
Dazu zählen:
– lange Vorbereitung vor Ort: Rund zwei Wochen vor Olympiabeginn trafen 21 der 27 deutschen Beckenschwimmer im Küstenort Palhoca ein, gut 1000 Kilometer südlich von Rio. Das Hotel ist in Laufweite des Hallenbades, in dem es nur wenige Mücken (Stichwort: Zika-Virus) geben soll. Ein eigener Koch steht für ein leicht verdauliches «Abendessen» um ein Uhr nachts und das Frühstück um zehn Uhr bereit. «Einen eigenen Koch dabei zu haben, ist ein Riesen-Pluspunkt», erklärt Lambertz.
– Licht-Therapie: Speziallampen sollen die europäische Sommerzeit simulieren. Die Schwimmer leben im brasilianischen Winter mit etwa acht Sonnenstunden weiter nach dem europäischem Sommer mit 15 Stunden Tageslicht. «Wir müssen in der Sommerzeit bleiben», sagt Lambertz. Wenn abends gegen sechs die Sonne untergeht, soll der Körper nicht auf den Nacht-Rhythmus schalten, sondern bereit bleiben für Leistung um Mitternacht.
– Schlaflabor: Die Spitzenathleten ermittelten in einem Berliner Schlaflabor ihren individuellen Leistungshöhepunkt. Mit Hilfe der Tageslichtlampen soll dieser Leistungshöhepunkt sukzessive in den späten Abend verschoben werden.
– Regenerationskleidung: Mit einer Nachtwäsche aus Nano-Platinum-Technologie soll der Sympathikus als Teil des vegetativen Nervensystems aktiviert werden. «Wenn man das nachts als Schlafanzug anzieht, fällt man in einen viel erholsameren Schlaf, Muskelschmerzen werden gelindert. Die Regenerationsfähigkeit wird um acht bis zehn Prozent erhöht», erklärt Lambertz und bedankt sich ausdrücklich beim Deutschen Schwimm-Verband, der diese Maßnahmen ermöglichte. Allenfalls die Japaner, wo der Hersteller beheimatet ist, nutzten dieses Know-how.
– Zimmer im Olympischen Dorf: Damit die Schwimmer länger schlafen können, wurde in der deutschen Unterkunft die oberste Etage mit Zimmern nach außen geblockt. Die Fenster werden mit Alufolie abgedunkelt, damit das Tageslicht morgens das Team nicht früher weckt. Gegen Lärm hilft natürlicn auch der Klassiker: Ohropax.
– Das sagen die Athleten: Freistil-Weltrekordler Biedermann kam beim nächtlichen Training im heimischen Halle/Saale gut zurecht: «Man hat zu ungewöhnlichen Zeiten Hunger, das kann man mit fünf statt drei Mahlzeiten und deutlich weniger essen lösen.» Weltmeister Koch konnte in Darmstadt mit der Rücksicht der Nachbarn nicht immer rechnen, obwohl er nach eigener Aussage immer überall und auch gern lange schlafen kann. «Marco ist eher die Eule, nicht der frühe Vogel», erklärt Heimtrainer Volker Kreisel grinsend.
Fotocredits: Hannibal Hanschke