Rio de Janeiro – Barbara Engleder sank nach dem goldenen Schuss auf die Knie und schrie mit Tränen in den Augen ihre Freude heraus. Im vierten Anlauf sicherte sich die Sportschützin endlich ihre erste Olympia-Medaille – und dann auch noch Gold!
In einem dramatischen Finale verwies die 33-Jährige mit dem olympischen Rekord von 458,6 Ringen die beiden Chinesinnen Zhang Binbin und Du Li im Dreistellungskampf mit dem Kleinkalibergewehr auf die Plätze.
«Ein Wahnsinn. Das ist der krönende Abschluss meiner Karriere», jubelte die Schützin aus dem niederbayerischen Triftern. Es war der erste Olympiasieg für die deutschen Schützen seit Ralf Schumann 2004 in Athen und die erste Medaille in einer Gewehrdisziplin seit dem Silber von Petra Horneber vor 20 Jahren in Atlanta.
Zum Auftakt der olympischen Schieß-Wettbewerbe hatte Engleder als Vierte mit dem Luftgewehr die ersehnte Medaille noch knapp verpasst. In ihrer Spezialdisziplin erfüllte sie sich nun endlich den langgehegten Traum. «Ich weiß nicht, wo ich die Energie hergenommen habe», sagte Engleder.
Dabei hatte die als Mitfavoritin gehandelte Deutsche in der Qualifikation einige Zittereinlagen zu überstehen, ehe der Finaleinzug mit 583 Ringen feststand. «Heute war alles anders als mit dem Luftgewehr. Im Finale lief es wie am Schnürchen», sagte die sichtlich erleichterte Olympiasiegerin.
Zwei Tage zuvor hatte Engleders Zimmerkollegin Monika Karsch bei den Rio-Spielen mit der Sportpistole Platz zwei belegt und die erste Medaille für den Deutschen Schützenbund geholt. Damit ist der Verband schon jetzt deutlich erfolgreicher als vor vier Jahren in London, wo es erstmals seit 1964 keine Olympia-Medaille gegeben hatte.
Kein Wunder, dass auch Sportdirektor Heiner Gabelmann Tränen in den Augen hatte. «Ich bin sprachlos. Ich habe ihren ganzen Weg von den Junioren bis hierher mitverfolgt. Das ist sowas von verdient, einfach herzzerreißend», sagte er.
Die Mutter eines kleinen Sohnes hat auch im Münchener Gewehrteam um Trainer Mario Gonsierowski die «Mama»-Rolle inne. Bezeichnend dafür waren fast alle Teammitglieder zum Finale erschienen. «Hammergeil. Sie hat die Dinger nur so rausgehauen und sich nur eine kleine Schwächephase im Stehen geleistet. In den letzten Schüssen hat sie ihr ganzes Können reingehauen», lobte Teamkollege Daniel Brodmeier.
«Mir hat das Schießen noch nie so viel Spaß gemacht wie in dieser Gruppe», betonte die Sportsoldatin. «Wir haben das Finale bis zum Erbrechen geübt. Meine Kollegen haben mindestens ein Viertel Anteil an diesem Goldstück», sagte Engleder. Dennoch stellt sie das Gewehr nun in die Ecke: «Ich will mich um meinen Sohn kümmern.»
Das Privatleben war in all den Jahren etwas zu kurz gekommen. «Das alles kann ich nur leisten, weil sich mein Mann Jürgen und meine Mama Christel so gut um meinen dreijährigen Tobias kümmern», berichtete die auch in der Kommunalpolitik engagierte Engleder.
Einen schöneren Abschied hätte sie sich gar nicht ausmalen können. Dabei verlief die Olympia-Vorbereitung nicht reibungslos. Im Juni musste sie beim Hochwasser in ihrer Heimatstadt nicht nur um ihr Hab und Gut bangen. «Mich hat’s auch erwischt. Ich hatte nur zehn Minuten Zeit, dann wurde evakuiert», erzählte sie.
Auch ihre Spezialwaffen waren dahin. «Bei mir sind zwei Kleinkaliber-Waffen baden gegangen. Die musste ich dann trocknen beziehungsweise einschicken, damit sie wieder schießbar gemacht werden konnten.» Mit Erfolg, wie sie in Rio eindrucksvoll unter Beweis stellte.
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(dpa)