Montreal – Pauline Schäfer hatte schon kurz nach ihrem grandiosen Auftritt Tränen in den Augen. Die Chemnitzerin hat in Montreal die erste Goldmedaille für deutsche Turnerinnen am Schwebebalken in der 83-jährigen Geschichte von Weltmeisterschaften erkämpft.
Mit ihrer glänzenden Darbietung als erste Turnerin des Finals vor 10 000 Zuschauern im ausverkauften Olympic Stadium kam sie auf 13,533 Punkte und beeindruckte die Konkurrenz. Es war zugleich das erste WM-Gold überhaupt für eine Athletin des Deutschen Turner-Bundes. Den letzten Titel der Deutschen hatte vor 30 Jahren die Berlinerin Dörte Thümmler am Stufenbarren für die DDR geholt.
Die nach Bestwerten im Vorkampf und im Mehrkampf-Finale favorisierte Tabea Alt aus Ludwigsburg leistete sich kleinere Wackler, freute sich am Ende aber riesig über WM-Bronze (13,300). Voller Freude fielen sich die Rivalinnen nach dem denkwürdigen Finale in die Arme.
Schäfer bestach mit Perfektion ihrer Übungen. Nachdem sie ihre Schwierigkeit noch einmal um zwei Zehntel aufgestockt hatte, durfte sie sich über eine höhere Wertung als in der Qualifikation freuen und erkämpfte einen Titel, den niemand von ihr erwartet hatte.
Bereits vor zwei Jahren in Glasgow hatte sie WM-Bronze am einstigen Zittergerät der Deutschen gewonnen. «Endlich mal ein Erfolgserlebnis», hatte Schäfer schon beim Einzug in das Finale erzählt, einen Gedanken an Gold hatte sie da nicht verschwenden können.
In den zurückliegenden Jahren hatte die Riege von Cheftrainerin Ulla Koch intensiv an den früheren Schwächen gearbeitet. Schon die zwei Finalplätze waren ein bisher noch nie erreichtes Ergebnis in der DTB-Historie.
Tabea Alt hatte zuvor auch bei ihrem WM-Debüt bereits als Zehnte im Mehrkampf überzeugt und war wie im Vorkampf beste Turnerin an ihrem Spezialgerät Balken. «Ich versuche, mir keinen Druck zu machen und auch im Finale eine schöne Übung zu turnen. Aber die Abstände zu den Konkurrentinnen sind sehr gering», hatte der Schützling von Trainer Robert Mai vor dem wichtigsten Wettkampf der Karriere gesagt. Mit Bronze erfüllte auch sie alle Erwartungen.
Schließlich ist ihr Name seit Montreal nun auch im Regelwerk des Weltverbandes FIG. Am Stufenbarren zeigte sie gleich zwei Elemente, die noch nie zuvor eine andere Turnerin vorstellte. Das Durchschwingen durch die Arme zum unteren Holmen mit halber Drehung wird künftig als «Alt 1» und ihr neuer Abgang als «Alt 2» in den Code d’Pointage eingehen.
Fotocredits: Amy Sanderson
(dpa)