Bonn – Die neue Kompromissbereitschaft des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) in Sachen Russland hat bei Friedhelm Julius Beucher für Entsetzen und Ärger gesorgt.
«Diese Entscheidung ist halbschwanger. Eigentlich gibt es das nicht. Aber beim offensichtlich am IOC-Mainstream orientierten IPC-Board offenbar schon», wetterte der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Das IPC war zuvor von seinem kompromisslosen Kurs gegen russische Athleten abgewichen. Nach dem Vorbild des IOC schloss das IPC zwar das Russische Nationale Komitee (RPC) aus, erlaubt aber zumindest ausgewählten Athleten die Teilnahme an den Winter-Paralympics in Pyeongchang vom 9. bis 18. März. Das IPC rechnet mit 30 bis 35 russischen Startern in Südkorea. Bei den vorigen Winterspielen 2014 im russischen Sotschi waren es noch 69.
«Die russische Anti-Doping-Agentur Rusada hat den McLaren-Report bis heute nicht anerkannt. Und die Welt-Antidoping-Agentur WADA hat den die Rusada bis heute nicht anerkannt», erläuterte Beucher: «Wer diese beiden elementaren Nachweise nicht liefert, ist selbst schuld, wenn die Skepsis immer mitschwingt. Weil er Spekulationen Tür und Tor öffnet.»
Deshalb sei der Start russischer Athleten «nach dem Sündenfall von Sotschi ein Schlag ins Gesicht der sauberen Sportler und der manipulationsfreien Sportstrukturen», sagte Beucher in einer gemeinsamen Erklärung mit Chef de Mission Karl Quade: «Leider hat sich das IPC nun irgendeinem Druck gebeugt. Die Entscheidung ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.» Beucher hatte im Vorfeld «einen Ausschluss ohne Wenn und Aber» gefordert: «Denn ein bisschen schwanger gibt es nicht», hatte er erklärt.
Vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro 2016 hatte das IPC mit seinem damaligen Präsident Sir Philip Craven die Russen komplett ausgeschlossen. Das Internationale Olympische Komitee hatte für seine Winterspiele in Südkorea vom 9. bis 25. Februar ebenfalls das Nationale Komitee Russlands gesperrt, bisher aber 169 als sauber geltende Sportler eingeladen. Sie dürfen unter neutraler Flagge und ohne Hymne starten. Die russischen Behindertensportler werden in Südkorea unter der Flagge des IPC starten, bei Siegerehrungen wird die paralympische Hymne gespielt.
Russische Politiker und Mitglieder des RPC werden nicht akkreditiert, auch russische Mannschaften dürfen nicht teilnehmen. Die ausgewählten Einzelsportler müssen bestimmte Bedingungen erfüllen, unter anderem müssen sie sich in den vergangenen sechs Monaten mindestens zwei offiziellen Doping-Tests unterzogen haben.
Der neue IPC-Präsident Andrew Parsons entgegnete den Vorwürfen Beuchers: «Ich verstehe und akzeptiere seine Meinung, aber sowohl ich, als auch das IPC-Board haben eine andere. Wir sind uns sicher, dass die russischen Athleten, die teilnehmen werden, genauso sauber sind wie alle anderen.»
DOSB-Präsident Alfons Hörmann dagegen begrüßte die Entscheidung. «Das IPC bestätigt damit, was das Internationalen Olympische Komitee beschlossen hat», sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes am Rande des Neujahresempfangs am Montag in Frankfurt. «Es ist hoch erfreulich für mich, dass der Sport einheitlich agiert in dieser wichtigen sportpolitische Frage», fügte er an.
Auch Monoski-Fahrerin Anna Schaffelhuber, mit fünf Goldmedaillen bei fünf Starts der Paralympics-Star 2014 in Sotschi, findet die Entscheidung «grundsätzlich in Ordnung und gut. Es sollte definitiv ein Zeichen gegen ein staatliches Dopingsystem gesetzt werden. Das geschieht», sagte Deutschlands Behindertensportlerin des Jahres. Sie erklärte: «Ich habe aber ein Problem mit einem Generalverdacht von Sportlern und einer Generalstrafe.»
Parsons verteidigte die ausgesprochene Strafe für die vergangenen Sommerspiele. «Die Entscheidung vor Rio war die richtige. Es handelte sich bei den positiven Proben nicht um Zufall und nicht um Einzelfälle, sondern um eine organisierte Aktion, die den Sport, wie wir ihn kennen, bedroht.» Nun habe man aber «eine neue Situation. Damals konnten wir nicht sagen, welche Sportler sauber sind und welche nicht», sagte Parsons.
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(dpa)