Aachen (dpa) – Aus der deutschen Dressur-Equipe beim CHIO in Aachen ragt Sönke Rothenberger heraus. Mit seinen 1,90 Meter ist er um einiges länger als seine Kolleginnen Isabell Werth, Dorothee Schneider oder Kristina Bröring-Sprehe. Und auch mit seinen 21 Jahren hat er eine Ausnahmestellung.
Noch werden der Neue und sein ebenfalls noch junges Pferd Cosmo in der Szene neugierig beäugt. Doch Rothenberger gibt sich selbstbewusst. «Wir haben gezeigt, dass wir oben mitmischen können», sagt er.
Aachen soll nur der letzte Schritt sein, ehe er und sein neun Jahre alter Wallach bei den Olympischen Spielen in Rio den ersten Höhepunkt bei ihrem eindrucksvollen Aufstieg erreichen. Sollten beide unverletzt bleiben, ist das Paar bei Bundestrainerin Monica Theodorescu gesetzt.
Ein Jahr nach dem unwürdigen Abgang des einst als Wunderhengst verklärten Totilas und dessen Reiter Matthias Rath bei der EM in Aachen ist Rothenberger der neue Mann im Frauen-Team. Mit seiner offenen Art und manchen kessen Sprüchen bringt er frischen Wind in die Dressur-Szene. Bei den deutschen Meisterschaften Anfang Juni in Balve etablierte er sich mit Cosmo in der Spitze und schaffte den Sprung ins Aachen- und wohl auch ins Rio-Team. «Etwas Besseres kann dem deutschen Dressursport nicht passieren», sagt sein Vater und Trainer Sven Rothenberger.
Sönke Rothenberger ist mit Pferden aufgewachsen. Seine Eltern Sven und Gonnelien gewannen als Ehepaar bei den Olympischen Spielen 1996 für die Niederlande Team-Silber. Vor dem Nationalitätenwechsel hatte der Papa auch für Deutschland bei Championaten etliche Medaillen geholt. Sönkes Schwester Sanneke und Semmieke sind ebenfalls im Reitsport unterwegs.
«Natürlich habe ich von meinen Eltern viel mitbekommen. Als kleiner Junge sieht man viel und lernt man viel», sagt Sönke Rothenberger. Bei Olympia 2004 in Athen sei er dabei gewesen: «Das infiziert einen.» Nun kann er selbst bei Olympia dabei sein.
Zu verdanken hat Sönke Rothenberger den Aufstieg Cosmo. «Ich weiß, ich bin noch jung, um das zu sagen: Aber es wird für mich nie wieder so ein Pferd geben», betont er. Sein Vater hatte Cosmo vierjährig eigentlich für Sanneke vorgesehen. «Doch für ein kleines Mädchen ist das ein zu explosives Pferd», sagt Sönke Rothenberger.
Als Kaufinteressenten vor einigen Jahren lukrative Angebote machten, setzte er sich auf das Pferd, stellte seine Springreiter-Ambitionen zurück und sagte: «Ich reite ihn.» Vater Sven machte gleich klar: Das Geschenk bedeutet auch Verpflichtung. «Ihr wisst gar nicht, wie gut er ist», hatte der 50-jährige seiner Familie stets gesagt.
Cosmo ist ein Bewegungstalent mit viel Temperament. «Er ist ein bisschen der Clown zu Hause. Er wird immer ein Clown bleiben und den ganzen Stall auf Trab halten. Er hat jeden Tag neue Flausen im Kopf», beschreibt Sönke Rothenberger seinen Partner.
Am liebsten würde Sönke Rothenberger den Wallach den ganzen Tag reiten. Doch seine Eltern legen Wert auf die Ausbildung. Daher studiert er in Frankfurt Wirtschaft. «Man darf es eigentlich nicht sagen: Ihnen ist das Studium wichtig, mir sind die Pferde wichtig», erklärt Sönke Rothenberger. Kommentar des Vaters: «Vor dem Porsche kommt die Arbeit. Und sein Porsche ist Cosmo.»
Fotocredits: Friso Gentsch