Leipzig – Christian Prokop soll als Nachfolger von Bundestrainer Dagur Sigurdsson die deutschen Handballer 2020 in Tokio zu Olympia-Gold führen. Der Coach des Bundesligisten SC DHfK Leipzig tritt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur das große Erbe des Isländers an.
Nach langen und zähen Verhandlungen will der Deutsche Handballbund (DHB) den 38-jährigen Prokop am Freitagabend vor dem All Star Game in Leipzig als neuen Trainer der «Bad Boys» präsentieren.
«Er ist mit Sicherheit einer der talentiertesten deutschen Trainer und ich traue ihm zu, die deutsche Nationalmannschaft erfolgreich weiterzuführen», sagte der ehemalige Weltklasse-Linksaußen und TV-Experte Stefan Kretzschmar der Deutschen Presse-Agentur. Der DHfK-Aufsichtsrat betonte aber auch: «Für uns Leipziger ist es natürlich ein Verlust, weil es mehr als eine Arbeitsbeziehung war. Doch wir haben uns zusammengesetzt, weil es sein großer Wunsch war.»
Über drei Monate wurde zwischen Verband und dem SC DHfK Leipzig verhandelt. 24 Stunden vor dem All Star Game in Leipzig zwischen der Nationalmannschaft und einer Bundesliga-Auswahl erfolgten die letzten Gespräche mit DHfK-Geschäftsführer Karsten Günther.
Nach dpa-Informationen kassieren die Leipziger für ihren Coach vom DHB eine Ablöse von einer halben Million Euro, da dieser noch Vertrag bis 2021 besaß. Allerdings lässt der Verband im Gegenzug Leipzigs Wunschkandidaten auf die Prokop-Nachfolge wohl nicht gehen. Michael Biegler erhält vorerst keine Freigabe und wird die «Ladies» wie geplant bei der Heim-WM Ende Dezember in Deutschland als Bundestrainer betreuen. Biegler sollte nach DHfK-Vorstellungen bereits am 1. Juli beim Bundesligisten anfangen und die DHB-Frauen in Doppelfunktion bis Jahresende betreuen. Doch der Verband will beim Prestigeprojekt kein Risiko eingehen, die Verhandlungen laufen noch.
Prokop wird sein Pflichtspieldebüt schon Mitte Juni bei der Europameisterschafts-Qualifikation in Portugal und gegen die Schweiz geben. Noch offen ist, wer Anfang Mai beim Länderspiel-Doppelpack gegen Slowenien an der Seitenlinie steht. Prokops Fünfjahresvertrag beim DHB beginnt offiziell am 1. Juli.
Nach dem EM-Titel und Olympia-Bronze unter Vorgänger Sigurdsson sind die Erwartungen an den vergleichsweise unerfahrenen Prokop enorm hoch. Der Verband strebt neben dem Titel bei der Heim-WM 2019 auch Olympia-Gold 2020 in Tokio an. Der neue Bundestrainer wird aber dank Sigurdsson auf ein breites Repertoire an jungen, hoch qualifizierten Spielern zurückgreifen können.
Prokop galt von Anfang an als Wunschkandidat von DHB-Vize Bob Hanning. Er hat sich rasant schnell einen guten Ruf in der Branche erarbeitet. Mit den Leipzigern schaffte er den Aufstieg in die Bundesliga, etablierte den Club im Oberhaus und wurde zum «Trainer des Jahres 2016» gewählt. Der ehemalige Rückraumspieler, der seine aktive Karriere schon im Alter von 22 Jahren wegen eines Knorpelschadens im Knie aufgeben musste, gilt als penibler Analytiker, der seine Gegner bis ins letzte Detail beleuchtet und ein klares Konzept verfolgt.
Dabei hätte Prokop dem DHB sogar fast abgesagt. Um ihn von einem Verbleib zu überzeugen, hatten Leipzigs Fans Plakate mit «Mach’s wie wir, bleib hier. Christian du bist Leipziger» hoch gehalten. Prokop hatte die Aktion gerührt, gegenüber einigen Spielern sprach er anschließend schon davon, in Leipzig bleiben zu wollen. Doch dann schaltete sich Hanning ein, stimmte ihn pro DHB um.
Die Entscheidung für Prokop ist auch eine gegen Markus Baur. Der Weltmeister von 2007 galt allerdings von Beginn an als zweite Wahl, obwohl er außerhalb des DHB zahlreiche Befürworter hatte. So hätte etwa sein ehemaliger Nationalmannschaftskollege und Weltklasse-Keeper Henning Fritz den 46-Jährigen gerne als Sigurdsson-Nachfolger gesehen. Unter anderem, weil er die größere Erfahrung habe.
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(dpa)