London – Der türkische Staatspräsident war begeistert nach dem Sensationssieg des erst vor wenigen Jahren eingebürgerten Ramil Guliyev im 200-Meter-Finale der Leichtathletik-WM in London.
«Er macht uns alle stolz», twitterte Recep Tayyip Erdogan kurz nach dem Rennen. «Ich gratuliere von ganzen Herzen.» Guliyev ist der erste männliche Leichtathletik-Weltmeister in der Geschichte der Türkei.
Den 27 Jahre alten gebürtigen Aserbaidschaner, der seit 2013 das Startrecht für die Türkei hat und das WM-Rennen mit 20,09 Sekunden gewann, hatte keiner auf der Rechnung. Topfavorit war der Südafrikaner Wayde van Niekerk. Er kam nach Foto-Finish in 20,11 Sekunden um Haaresbreite vor Jeerem Richards (Trinidad und Tobago) als Zweiter ins Ziel. «Dieser Wettbewerb war eine massive Achterbahnfahrt für mich», meinte van Niekerk. «Ich fahre mit zwei Medaillen nach Hause, die gute Farben haben: Gold und Silber.»
Nach seinem 400-Meter-Triumph hatte er auch über 200 Meter auf einen Sieg gehofft, um einer Legende nachzueifern – dem Jamaikaner Usain Bolt, der erstmals seit der WM 2009 in Berlin über diese Distanz nicht am Start war und seine Karriere beendet. Einige sahen Van Niekerk schon als den neuen Bolt an.
Doch auf dem Weg dahin hat ihn nun Guliyev erst einmal gestoppt. Denn mit einer weiteren Goldmedaille wäre van Niekerk der erste Athlet seit 22 Jahren gewesen, der wieder ein Gold-Double auf diesen beiden Strecken geschafft hätte. Zuletzt war dies dem US-Laufhelden Michael Johnson bei der WM 1995 in Göteborg gelungen – und ein Jahr später bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta.
«Es war kein Schock für mich, es fühlte sich aber auch nicht real an», sagte Guliyev über den Moment des Sieges. «Das ist der beste Augenblick meiner Karriere.»
Die Laufbahn Guliyevs ist im Schatten von Usain Bolt verlaufen, zeigt aber eine Parallele zu dem Superstar aus Jamaika. Als Junior im Alter von 19 Jahren war er mit 20,04 Sekunden der zweitschnellste Sprinter nach Bolt (19,93). Außerdem lief er bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro neben dem Weltrekordler Bolt im Finale und belegte Platz acht. Zudem holte er bei der EM im vergangenen Jahr die Silbermedaille.
«Ich bin gegen einige der besten Läufer der Welt angetreten. Es hat mir nichts ausgemacht, dass die Aufmerksamkeit auf ihnen lag», sagte Guliyev. «Vielleicht werden sie beim nächsten Wettkampf alle auf mich schauen.»
Kein großes Thema mehr war Isaac Makwale nach dem WM-Rennen über 200 Meter. Der Weltjahresbeste landete nur auf dem sechsten Rang. «Ich bin nicht glücklich. Vorlauf und Halbfinale haben zu viel Kraft gekostet», sagte der 30-Jährige aus Botswana. «Ich wollte unbedingt eine Medaille.» Dabei hatte er große Wut im Bauch.
Der Weltverband IAAF hatte ihm wegen seiner Erkrankung – er war wie andere WM-Teilnehmer von einem Magen-Darm-Virus infiziert worden – den Start im 400-Meter-Finale untersagt und ihn auch über 200 Meter wegen Quarantäne-Bestimmungen nicht antreten lassen wollen. Doch Makwala erkämpfte sich die Teilnahme über 200 Meter – erhielt das Startrecht aber erst, als die Vorläufe schon vorbei waren. So musste er nachträglich den Vorlauf alleine rennen. Im Solo erreichte er das Halbfinale und zog dann mit 20,14 Sekunden ins Finale ein, das aber nicht das erhoffte Ergebnis für ihn brachte.
Fotocredits: Matt Dunham
(dpa)