Athen – Wenn Michel Platini beim UEFA-Kongress in Athen seine Abschiedsrede halten darf, kann er mit großem Applaus und viel Zuneigung der ehemaligen Funktionärskollegen rechnen.
Sie lieben ihren Michel noch und viele hätten ihn wohl am liebsten sogar als Präsidenten behalten – trotz der Millionen-Mauscheleien und der Vierjahressperre wegen Ethikvergehen. Die deutschen Vertreter um Delegationsleiter Reinhard Grindel werden am Mittwoch im Grand Hotel Lagonissi allerdings nur aus protokollarischer Höflichkeit klatschen, wenn überhaupt.
Seine klare Meinung zum letzten Ballyhoo des wegen der dubiosen zwei Millionen Franken von Ex-FIFA-Chef Joseph Blatter geschassten Franzosen hat DFB-Chef Grindel sofort deutlich gemacht. «Der UEFA-Kongress muss geprägt sein vom Programm des neuen Präsidenten und nicht von den Fehlern seines Vorgängers», monierte Grindel die per Sondergenehmigung der FIFA-Ethikhüter erteilte Redeerlaubnis für den Ex-Präsidenten. Der 61 Jahre alte Platini solle auf seine Ansprache verzichten. CDU-Politiker Grindel muss den DFB nach dem WM-Skandal wieder glaubwürdig machen. Da sind sentimentale Lobhudeleien für einen Protagonisten der alten Zeit nicht angebracht.
Platini und die Deutschen. Das war in den gut neun Jahren der Regentschaft des Franzosen immer eine ganz spezielle Beziehung. Und sie begann mit ähnlich großer Distanz, wie sie nun endet. 2007 beim Wahlkongress in Düsseldorf sprach sich der DFB unter der Führung von Theo Zwanziger klar für UEFA-Amtsinhaber Lennart Johansson aus. Der Schwede hatte die WM 2006 in Deutschland nachhaltig unterstützt.
Gegenkandidat Platini und seine damals noch romantisch anmutenden Fußball-Ideen wurden beim deutschen Verband skeptisch betrachtet. Platini galt als Emporkömmling. «Er wird viele Probleme haben und Fingerspitzengefühl benötigen», lästerte Zwanziger gleich nach der Wahl. Die Abneigung wurde über Jahre von beiden Seiten kultiviert. Platini war damals wenig polyglott. «Speak french», raunzte er deutsche Reporter an, die ihm auf Englisch Fragen stellen wollten.
Doch die Zeiten änderten sich: Mit dem Aufstieg von Wolfgang Niersbach zum DFB-Chef entspannte sich das Verhältnis. Der frankophile Zwanziger-Nachfolger und der instinktsichere Machtmensch Platini harmonierten. Es einte sie die Liebe zum Profifußball und die Idealisierung der Nationalteams.
Da konnte sich der mittlerweile ebenfalls suspendierte Niersbach im größten Glücksmoment sogar eine Spitze gegen seinen Freund erlauben. Bei der deutschen WM-Siegesfeier 2014 am Strand von Ipanema in Rio de Janeiro war Platini geladen und Niersbach rief ihm zu: Da ist der WM-Pokal. Nun dürfe er ihn auch mal anfassen. Die Pikanterie: Deutschland verwehrte dem begnadeten Fußballer Platini 1982 und 1986 mit WM-Halbfinalsiegen den eigenen Griff nach der begehrtesten aller Fußball-Trophäen.
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(dpa)