Rio de Janeiro (dpa) – Dimitrij Ovtcharov bezeichnet sich selbst gerne als Perfektionisten. Der Tischtennis-Europameister und sein Kumpel Timo Boll sind bereits seit drei Tagen in Rio, wo sie beim Olympia-Turnier ab Sonntag die scheinbar übermächtigen Chinesen herausfordern wollen.
«Den Zeitunterschied von fünf Stunden darf man nicht unterschätzen», erklärte Ovtcharov, der sich in Ruhe akklimatisieren und an die türkisfarbenen Tische auf grünem Boden, an die 2,7 Gramm leichten Bälle sowie an die Lichtverhältnisse und die Klimaanlage im Riocentro Pavilion 3 gewöhnen möchte.
«Die Halle erinnert mich sehr an London, was ein gutes Omen sein sollte», erklärte der Olympia-Dritte von 2012. Er hat sich akribisch auf Rio vorbereitet. Dort will er zumindest das Resultat von London wiederholen. In den vergangenen Wochen hat Ovtcharov keine internationalen Turniere gespielt und nur trainiert – mit Anleihen bei Fußball-Weltmeister Per Mertesacker. «Ich habe eine Regentonne geordert, das Eis stand immer im Kühlfach. Da bin ich jeden Tag drin gewesen. Besonders an heißen Tagen ist das sehr gut, um schnell zu regenerieren», berichtete «Dima» über seine Eistonnen-Erfahrung.
Der 27-jährige Rechtshänder lässt sich von einem Team beraten und betreuen. Neben Bundestrainer Jörg Roßkopf besuchte ihn auch sein schwedischer Privatcoach Jörgen Persson mehrmals während des Olympia-Lehrgangs in Düsseldorf. Unverzichtbar sind auch die Ratschläge seines Vaters und Heimtrainers Mikhail Ovtcharov aus Eldagsen bei Hannover. «Die Harmonie zwischen den Trainern ist gut», versicherte die Nummer fünf der Weltrangliste.
Als Nummer drei der Setzliste in Rio blickt er mit Spannung der Auslosung an diesem Mittwoch entgegen. Entweder kommt er in die Hälfte des Weltmeister Ma Long, gegen den er bisher noch nie gewonnen hat, oder in die des London-Olympiasiegers Zhang Jike. Auf die Chinesen könnte Ovtcharov frühestens im Halbfinale treffen, falls er die Partien in den Runden zuvor gewinnt.
Anders sieht es bei Rekord-Europameister Boll aus. Der 35 Jahre alte Linkshänder ist durch eine Knieoperation und mehrere Verletzungen auf Rang 14 der Weltrangliste abgerutscht. Wenn es schlecht läuft bei der Auslosung, droht ihm bereits im Achtelfinale ein Duell gegen einen der beiden Top-Favoriten aus dem Reich der Mitte.
Der deutsche Fahnenträger-Kandidat hält dennoch am Traum von seiner ersten olympischen Einzel-Medaille fest. «Im Training ist das ein Ansporn, sich zu quälen», sagte Boll. Für den Linkshänder, der den letzten Test in Hamm gewann, ist ein guter Start wichtig. «Dann spürt man schnell, ob es weit gehen kann», sagte der Routinier vor seinem fünften Olympia-Turnier.
Klappt es im Einzel nicht, gibt es für Boll, Ovtcharov und den Bremer Bastian Steger im Team-Wettbewerb eine zweite Chance. Die deutsche Auswahl ist an Position zwei gesetzt. Läuft alles nach Plan, kommt es am 17. August zum Traumfinale gegen China. Dann wäre auch Sportdirektor Richard Prause zufrieden. «Wir möchten die Tradition von 2008 und 2012 fortsetzen und im Herrenbereich wieder zu den Medaillengewinnern zählen», lautete seine Zielvorgabe.
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