Pyeongchang – Tief in der Nacht fielen die Norweger im Deutschen Haus ein. Mit Anzug und Krawatte kamen die Skispringer, ganz dem festlichen Anlass entsprechend. Die Mannschafts-Olympiasieger feierten bis in die Morgenstunden.
Daniel Andre Tande spritzte mit Sekt um sich und legte Solo-Tanzeinlagen aufs Parkett. Trainer Alex Stöckl stieg auf die Bühne, schnappte sich das Mikrofon und sang das Elton-John-Lied vom «Rocket Man».
Keine Nation hat während der Winterspiele von Pyeongchang mehr Grund zum Feiern als die Norweger. Mit fast 30 Medaillen, davon elf goldenen, stehen sie vor Deutschland auf Rang eins der Medaillenwertung. Das Abschlusstableau führten sie zuletzt 2002 in Salt Lake City mit 13 Goldmedaillen an. Chef de Mission Tore Övrebö gab vor der Reise nach Südkorea 30 Medaillen als Marke aus, der bisherige Rekord von 26 Mal Edelmetall ist längst übertroffen. «Wir sind in einer sehr glücklichen Situation. Vieles läuft einfach gut», sagt Övrebö nun. «Etwas unwirklich» kommt Skiverbandspräsident Erik Roeste die Siegesserie vor.
Den Nordeuropäern bieten sich an den letzten Olympiatagen noch einige Chancen: in der Nordischen Kombination, im alpinen Skisport, im Biathlon, vor allem aber im Langlauf. Marit Björgen kann im Rennen über 30 Kilometer am Schlusstag ihren achten Olympiasieg holen und damit Nummer eins bei Winterspielen werden. Es hat sich zur fast täglichen Gewohnheit entwickelt, dass die norwegischen Langläufer im Hotelflur eine Sahnetorte anschneiden, um Medaillen zu feiern.
Sogar das Königshaus stimmte in den Jubel ein. «Norwegens bester olympischer Tag aller Zeiten», stand nach dem Besuch von Kronprinz Haakon in Pyeongchang auf der royalen Internetseite. Drei Goldmedaillen seiner Landsleute im alpinen Skisport, im Langlauf und im Biathlon erlebte er vergangene Woche mit.
Am Morgen hatte Haakon mit Trainern und Athleten auf Skiern die Abfahrtsstrecke besichtigt. Später posierte er zu Siegerfotos in roter Skikleidung mit Silbergewinner Kjetil Jansrud und Axel Lund Svindal. Mit dem Langläufer Pal Goldberg lieferte sich der Kronprinz später noch einen Wettkampf auf einem Fitnessgerät.
Das Königshaus steht dem Sport in Norwegen traditionell nahe. Als Haakon und Prinzessin Mette-Marit Anfang dieses Monats Prinz William und Prinzessin Kate empfingen, besuchten sie gemeinsam auch die Sportanlagen auf dem Holmenkollen, die als Wiege des nordischen Skisports gelten. Die Verbindung von Sport und Natur gehört zur DNA der nur gut fünf Millionen Norweger.
Dass andere Länder größer seien, spiele keine Rolle, weil die Norweger Wintersport eben mehr liebten als etwa die 80 Millionen Deutschen, kommentiert die Zeitung «Aftenposten»: «Qualität hat im Sport wenig mit Quantität zu tun.» Skisprung-Teamchef Clas Brede Braathen jubelt: «Noch nie waren wir besser.»
«Die Norweger können sich in ihren Traditionssportarten wie Skilanglauf oder Skispringen auf perfekte Witterungsbedingungen stützen – mehr Schneezeit, Schnee in den Städten, so dass viel Reisezeit eingespart werden kann», erklärt Dirk Schimmelpfennig, der deutsche Chef de Mission. «Zum anderen ist der Stellenwert des Skisports in Norwegen mit dem Fußball in Deutschland vergleichbar.» Schimmelpfennig will «deren Strukturen gemeinsam mit unseren Spitzenverbänden nach dieser Saison nochmal genauer ansehen».
Allerdings begleitet auch Zweifel die Topleistungen. Laut Norwegischem Rundfunk NRK gehören 6000 Dosen Asthmamittel zum Gepäck der 121-köpfigen Mannschaft. Norwegens Olympia-Chefärztin Mona Kjeldsberg verteidigte den Großeinkauf und sagte, die Mengen seien anhand des Bedarfs bei den letzten Winterspielen ermittelt worden. Überhaupt versorgen sich die Norweger mit erstaunlichen Mengen. Bei der Anreise hatte das Team 15 000 Eier geliefert bekommen, anstatt der gewünschten 1500.
Fotocredits: Vadim Ghirda
(dpa)