Berlin – Kapitän Uwe Gensheimer trat vor Wut gegen den Pfosten, Torwart Andreas Wolff biss frustriert in sein Trikot: Trotz der besten Turnierleistung haben Deutschlands Handballer einen Sieg gegen Titelverteidiger Frankreich in letzter Sekunde verpasst.
Durch das 25:25 (12:10) am Dienstagabend im Handball-Krimi von Berlin steht die DHB-Auswahl aber zumindest vorzeitig in der WM-Hauptrunde und hat im Kampf um das Halbfinale weiter alle Trümpfe in der Hand.
«Danke an meine Mannschaft, danke an Berlin. Wir haben gefightet um jeden Zentimeter, wir haben als Team zusammengestanden, wir haben Stresssituationen gemeistert und wir sind überglücklich, dass wir dem Weltmeister einen Punkt abluchsen konnten», sagte Bundestrainer Christian Prokop. «Wir nehmen viel Selbstvertrauen mit. Irgendwann werden wir uns belohnen.»
Gensheimer, Martin Strobel und Fabian Wiede waren mit jeweils vier Treffern beste Werfer der DHB-Auswahl, die von den 13.500 begeisterten Fans mit «Deutschland, Deutschland»-Rufen frenetisch gefeiert wurde. «Ich bin froh, dass ich mir den Fuß nicht gebrochen habe», sagte Gensheimer über seinen Frusttritt. «Wir haben so ein geiles Spiel abgeliefert. Wir hätten den Sieg verdient gehabt. Wir haben uns für ein Superspiel nicht belohnt.»
Bei den Verantwortlichen herrschte dagegen Zufriedenheit. «Das war das beste Spiel seit zwei Jahren», lobte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Auch Prokop stellte seinen Schützlingen ein sehr gutes Zeugnis aus: «Die Art und Weise war heute begeisternd. Das war Wahnsinn bis zum Schluss. Ein dickes Kompliment an meine Mannschaft.»
Die hätte sich mit einem Erfolg ideale Voraussetzungen für die nächste Turnierphase schaffen können. Dennoch macht vor allem die überragende Defensivleistung Mut für den weiteren WM-Verlauf. Frankreichs bester Werfer Kentin Mahé (9 Tore) war auf jeden Fall beeindruckt: «Ich glaube, dass die deutsche Mannschaft von Spiel zu Spiel besser spielt.» Deutschlands Rechtsaußen Patrick Groetzki war sich sicher: «Mit etwas Abstand werden wir uns sicher auch über einen Punkt gegen den Weltmeister freuen können.»
Vor dem Anpfiff hatten die deutschen Spieler im Teamhotel die Nachricht vom Sieg Brasiliens gegen Russland erhalten, durch den der Punktverlust vom 22:22 gegen die Russen keine Bedeutung für den weiteren Turnierverlauf hat.
Dies schien die Prokop-Schützlinge zusätzlich zu beflügeln. Vor allem in der Abwehr beeindruckte die deutsche Mannschaft, die in den ersten zehn Minuten nur zwei Gegentore zuließ. Das lag auch an Torwart Andreas Wolff, der anders als im Russland-Spiel sofort auf Betriebstemperatur war.
Dennoch konnte sich die DHB-Auswahl nicht absetzen, weil im Angriff zu viele Chancen vergeben wurden. Unter anderen scheiterte Kapitän Gensheimer erstmals im Turnier vom Siebenmeterstrich an Frankreichs Keeper Vincent Gerard.
Der Titelverteidiger, der weiter auf Superstar Nikola Karabatic verzichtete, ging in der 19. Minute beim 5:4 erstmals in Führung. Beeindrucken ließ sich die DHB-Auswahl davon nicht. Die Defensive stand felsenfest, wofür Patrick Wiencek sinnbildlich stand. Der Kreisläufer vom THW Kiel musste schon nach 20 Minuten sein zerschlissenes Trikot tauschen.
Mit einem 3:0-Lauf brachte sich der Gastgeber wieder in Vorderhand. Nun war endgültig Feuer unter dem Dach. Angetrieben von den Fans legten die Hausherren nun auch in der Offensive zu. Der Lohn war eine Zwei-Tore-Führung zur Pause.
Den besseren Start nach dem Wechsel erwischten die Franzosen, die in der 36. Minute beim 15:14 wieder die Führung übernahmen. Prokop reagierte und schickte nun Silvio Heinevetter zwischen die Pfosten. Der Torwart der Füchse Berlin konnte jedoch weitere Gegentore nicht verhindern. So lief die DHB-Auswahl erst einmal einem knappen Rückstand hinterher, ehe in doppelter Überzahl das 18:17 (44.) gelang.
In der dramatischen Schlussphase hielt es die Zuschauer nicht mehr auf ihren Sitzen. Jede gelungene Aktion der deutschen Mannschaft wurde frenetisch bejubelt. Zehn Minuten vor Ultimo kam Wolff wieder auf das Parkett und meldete sich gleich mit einer Glanztat zurück. Doch es blieb bis zum Ende eng. «Ich glaube, wir haben den Zuschauern heute eine richtig gute Show geboten», sagte Rückraumspieler Fabian Böhm.
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(dpa)