Berlin – Das WM-Debakel ist noch lange nicht verarbeitet. Die Diskussion über das Versagen der deutschen Nationalelf in Russland ist längst nicht vorbei. Mit dem Bundesliga-Start soll die deutsche Fußball-Seele aber wieder Glücksmomente erleben.
«Die Vorfreude der Fans auf die Bundesliga ist ungebrochen. Es kann mal passieren, dass die Nationalmannschaft ein schlechtes Turnier spielt, damit mussten auch andere Nationen schon fertig werden», sagte Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl vor dem Saisonauftakt am 24. August, wenn 1899 Hoffenheim beim Titelverteidiger FC Bayern München antreten muss.
Die entscheidende Liga-Frage ist ohnehin die immer gleiche. Ist der Branchenprimus FC Bayern überhaupt zu stoppen? Oder machen die Münchner das halbe Titeldutzend in Serie voll? Die Konkurrenz macht sich zumindest öffentlich praktisch keine Hoffnungen auf ein spannendes Rennen um die Salatschüssel in der 56. Bundesliga-Saison.
«Da kann ich leider nicht sehr kreativ sein. Meister werden die Bayern, weil sie schlicht den besten Kader haben», sagte Domenico Tedesco – mit dem FC Schalke 04 in der vergangenen Saison als Zweiter immerhin Bester des Bundesliga-Rests. «Momentan ist Bayern München der Top-Favorit, das muss man ganz klar sagen», lautet die Prognose von Lucien Favre, der Borussia Dortmund als prominenter Trainer-Rückkehrer der Liga wieder zu einem ernsthaften Konkurrenten machen soll. «Aber zumindest in dieser Saison müssen wir realistisch sein: Wir stehen vor einem sportlichen Neustart, der Zeit braucht – ziemlich sicher auch mehr als nur eine Transferperiode», sagte Favre.
Herrscht also im Titelrennen schon bald wieder Langeweile? In München gehen sie speziell nach dem souveränen 5:0 im Supercup gegen Pokalsieger Eintracht Frankfurt mit der Mia-san-mia-Tradition an den nächsten Titelanlauf heran. «Natürlich sind wir so selbstbewusst zu sagen, dass wir deutscher Meister werden wollen», sagte der aus Frankfurt abgeworbene Trainer Niko Kovac. Dem ehemaligen Bayern-Profi bringen sie in München viel Vertrauen entgegen. «Es fällt auf, dass er recht hart trainiert», sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und attestierte dem Ex-Spieler «Feuereifer».
Der 29. nationale Titel ist für Kovac auch nicht die Messlatte. Der Traum des FC Bayern vom Champions-League-Sieg geht in München weiter. Die Sorge um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Liga ist ein Topthema für Rummenigge vor dem Saisonstart. Wieder einmal nimmt er die heimischen Konkurrenten nach dem enttäuschenden Abschneiden in der vergangenen Saison speziell in der Europa League in die Pflicht.
«Wir müssen ein bisschen aufpassen. Wir müssen ein Interesse haben anzugreifen. Das kann sicherlich nicht Bayern München alleine leisten, das muss die Bundesliga als Ganzes leisten. Die Bundesliga ist ein gutes Produkt, aber es ist entscheidend, wie wir uns international präsentieren», sagte Rummenigge – speziell nach der «schwarzen Stunde» der Nationalmannschaft in Russland.
Im Gegensatz zu Juventus Turin, das mit Cristiano Ronaldo den Sommer-Transfer schlechthin landete, und den traditionell kaufwütigen Clubs in England, hielten sich die Bayern auf dem Transfermarkt merklich zurück – und gaben keinen Euro als Ablöse aus. Einziger echter Neuzugang ist Leon Goretzka vom FC Schalke 04. Der BVB gab für Abdou Diallo von Mainz 05 mit 28 Millionen Euro am meisten Geld für einen Spieler aus und holte mit Belgiens WM-Star Axel Witsel (20 Millionen Euro) auch ein prominentes Gesicht mit markanter Frisur. Im Kaufrausch war die Bundesliga – in der erstmals seit der Gründung 1963 der Hamburger SV nach dem Abstieg in die 2. Liga fehlt – in diesem Sommer aber bislang nicht.
Genau hingeschaut haben die deutschen Schiedsrichter bei der WM. Der Videobeweis funktionierte dort insgesamt deutlich besser als in der vergangenen Saison in der Bundesliga. Kalibrierte Abseitslinien sollen nun die Entscheidungen bei einer der wichtigsten Fragen auch in der Bundesliga erleichtern. TV-Zuschauer bekommen mit dem Dreifach-Splitscreen und Hinweisen auf den Grund der Unterbrechung mehr Infos – wie auch die Zuschauer in den Stadien mit Erläuterungen auf den Video-Leinwänden. Das Ziel ist «größtmögliche Transparenz für den TV-Zuschauer», sagte DFL-Direktor Ansgar Schwenken.
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(dpa)