Rio de Janeiro (dpa) – Als Slalom-Kanute Sideris Tasiadis vor vier Jahren in London zu Olympia-Silber paddelte, war seine Freundin Claudia Bär eine der ersten Gratulantinnen.
Noch an der Wildwasserstrecke umarmten, herzten, küssten sich die Teamkollegen, wähnten sich sportlich und privat im puren Glück. Sie planten eine gemeinsame Zukunft, bis das Schicksal vor elf Monaten erbarmungslos zuschlug. Claudia Bär erlag einer Krebserkrankung. Viele wären daran kaputtgegangen – nicht so Tasiadis. Seit dem Tod seiner Freundin arbeitet der Augsburger Canadier-Einer-Pilot konzentrierter denn je an seinem großen sportlichen Ziel: Olympia-Gold in Rio.
«Er ist unwahrscheinlich fokussiert und zugleich locker, diese Mischung sieht man selten bei Sportlern. Sideris will unbedingt das zu Ende bringen, was Claudia sich immer für ihn erträumt hat», kommentierte der deutsche Verbandschef Thomas Konietzko vor Tasiadis‘ Rio-Auftakt an diesem Sonntag (17.30 Uhr). Auf dem Slalom-Kanal im Olympia-Park Deodoro muss der 26-Jährige im Vorlauf unter die besten 14 Athleten kommen, um das Halbfinale am Dienstag zu erreichen. Dass der Gold-Anwärter das schafft, bezweifelt niemand.
Der Tod seiner an Leukämie erkrankten Freundin hat Tasiadis nicht aus der Bahn geworfen. Stattdessen ebnete ihm der Sport den Weg zurück in den Alltag. «Er hat seinen Ausgleich und seine Ablenkung über den Sport gefunden», befand Bundestrainer Michael Trummer. Im Training präsentierte sich der Schwabe dieses Jahr eifriger denn je, was sich in sportlicher Konstanz niederschlägt. Die national umkämpfte Rio-Qualifikation packte er im Frühjahr schier mühelos.
«Ich werde meinen Spaß da haben bei den Spielen», versicherte Tasiadis im Vorfeld trotz der «schweren Zeit» nach dem Schicksalsschlag. Die hohen Erwartungen versuchte er allerdings etwas zu dämpfen: «Ich kann mir vorstellen, jeder erwartet von mir, dass ich das Ding locker gewinne. So einfach ist das aber nicht!»
Vor allem deshalb nicht, weil Kanu-Slalom wenig berechenbar ist. Minimale Fehler schlagen sich in Torstangenberührungen nieder, die Medaillenhoffnungen in Sekundenschnelle zerstören können. Zweite Chancen gibt es keine im Wildwasserkanal. «Insofern kann man auch niemanden Topfavoriten nennen. Kanu-Slalom ist eine der wenigen Sportarten, die nicht planbar ist», sagte Konietzko. Dennoch hofft der Verbandschef mindestens auf eine Ausbeute wie 2012 in London, damals gelangen zwei Medaillen in vier Wildwasserdisziplinen.
Ist jetzt sogar noch mehr drin? «Von der Ausgangsposition sind wir so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr besetzt. Alle Athleten in den vier Disziplinen haben in der Vergangenheit nachgewiesen, dass sie ganz vorn mitfahren können», bekannte Konietzko. Neben Tasiadis ruhen die deutschen Hoffnungen im Kajak-Einer auf dem London-Dritten Hannes Aigner und Melanie Pfeifer (beide Augsburg) sowie im Canadier-Zweier auf den Weltmeistern Franz Anton und Jan Benzien (beide Leipzig).
Fotocredits: Jan Woitas