Pyeongchang – Schon als Kind hasste es Martin Fourcade zu verlieren. Dafür änderte er auch schon mal kurzerhand die Spielregeln.
Dieser übermäßige Ehrgeiz, der schon an Besessenheit grenzt, hat den seit Jahren weltbesten Biathleten zu dem werden lassen, was er ist: Frankreichs erfolgreichstem Olympia-Teilnehmer der Geschichte und der erste Athlet mit dreimal Gold bei den Winterspielen in Pyeongchang. «Das macht mich wahnsinnig stolz, auch wenn es nicht mein Ziel war, als ich hierher gekommen bin», sagte der sechsmalige Weltcup-Gesamtsieger. Sogar Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte den 29-Jährigen als Olympia-Legende.
Der Sieg in der Mixed-Staffel bedeutete für den zweifachen Familienvater bereits das insgesamt fünfte Gold, zudem hat er schon zwei Silbermedaillen gewonnen. In die Geschichtsbücher geht dabei auch sein Foto-Finish-Sieg im Massenstart ein, als er Simon Schempp um 14 Zentimeter schlug. Zuvor hatte der «Meister aller Klassen» auch in der Verfolgung zugeschlagen. Eine letzte Chance bietet sich am Freitag in der Herren-Staffel, wo Fourcade traditionell als Schlussläufer ins Rennen geht.
Fourcade ist mittlerweile ein Nationalheld des Wintersports in Frankreich, durch ihn wurde Biathlon in der Grande Nation erst bekannt. Und Sport-Millionär wurde er auch. Aber das Geld treibt den Mann aus Font-Romeu in den Pyrenäen nicht an. Es ist der unstillbare Durst nach Siegen, Rekorden und dem Verschieben von Grenzen. «Er ist wohl der Beste, den es je gab», adelte sogar Norwegens Biathlon-König Ole Einar Björndalen den Souverän der Skijäger. Fourcade vereint vieles, was andere auch gern hätten: perfekte körperliche Voraussetzungen, einen eisernen Willen, eine enorme Stressresistenz, starke Gesundheit und ein großes taktisches Repertoire.
Rekorde, die wohl so schnell keiner mehr knackt, hat Fourcade einige aufgestellt. Als Erster gewann der elfmalige Weltmeister sechsmal in Serie den Gesamtweltcup, stand 18 Rennen nacheinander auf dem Podest, holte 14 Siege in einer Saison. Ob er die 94 Weltcupsiege von Björndalen knackt, muss man abwarten. Fourcade steht derzeit bei 67.
Denn in diesem Winter muss er sich erstmals seit langem harter Konkurrenz erwehren. Der Norweger Johannes Thingnes Bö stand im Weltcup schon achtmal ganz oben, Fourcade nur sechsmal. Und das wurmt Fourcade, wenngleich Druck auch eine seiner Triebfedern ist. Und sein Wille, sich immer weiterzuentwickeln. «Am Ende der Saison werde ich wieder Schwächen entdecken und mich fragen: Was kann ich tun, um besser zu werden? Lösungen für diese Frage zu finden, macht mich jedes Jahr ein bisschen stärker», sagte der Franzose, der bei Olympia gegen Bö in Sachen Gold klar mit 3:1 führt.
Rund 220 Tage im Jahr ist Fourcade im Biathlon-Zirkus unterwegs. Die Zeit nutzte er, um seine Autobiografie («Mein Traum von Gold und Schnee») zu schreiben. Eine Anekdote daraus bezieht sich auf seine Partnerin Helene, die Mutter seiner beiden Töchter Manon und Inès. Zu ihr sagte er schon als 14-Jähriger: «Du wirst mich häufiger im Fernsehen sehen als in echt.» Und er behielt recht. Wie lange Fourcade noch läuft, weiß er nicht. Klar ist aber: «Ich glaube, meine Tochter würde mich umbringen, wenn ich noch mit 40 Biathlon mache.»
Fotocredits: Hendrik Schmidt
(dpa)