Leipzig – Es sind die Momente, in denen es still wird. «Wir vermissen Michael», sagt Jean Todt. Der 71-Jährige redet bei der Einweihung der Hall of Fame des Internationalen Automobilverbandes in Paris. Todt ist der Präsident der FIA.
Todt ist aber noch mehr: Er ist einer der guten und engen Freunde, die Michael Schumacher während seiner einzigartigen Formel-1-Karriere kennen- und schätzen lernte.
Er, der siebenmalige Weltmeister und mit 91 Siegen immer noch mit Abstand erfolgreichste Pilot in der Geschichte der Königsklasse, kann auch an diesem Tag im Dezember 2017 nicht da sein. «Wir kennen Michael alle, und ich bin mir absolut sicher, dass er es lieben würde, hier zu sein», sagt die Managerin des ehemaligen Rennfahrers, der am 3. Januar 49 Jahre alt wird.
Reden im Konjunktiv. Seit seinem schweren Unfall beim Skifahren in den französischen Alpen oberhalb Méribels hat man Schumacher öffentlich nicht mehr gesehen. Vier Jahre ist der Sturz an diesem Freitag her. Vier Jahre, in denen die Fans der Formel-1-Ikone die Hoffnung nicht aufgegeben haben. Vier Jahre, in denen die Familie die Privatsphäre des zweifachen Familienvaters kategorisch schützt. «Es ist das Recht der Familie, damit so umzugehen, wie es am besten ist für die Familie», sagte Managerin Sabine Kehm in diesem Jahr in einem Interview dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Aber auch für Schumacher, den Ehrgeizigen, den Perfektionisten, den Macher und in seiner Karriere stets Topfitten. Wie (sehr) er seit seinem schweren Schädel-Hirn-Trauma, dem tagelangen Kampf gegen den Tod und dem wochenlangen künstlichen Koma selbst Einfluss auf sein Leben nehmen kann – man weiß es nicht. Grußworte ausdrücklich in seinem Namen gab es bislang nicht.
Seit September 2014 und damit rund neun Monate nach dem Unglück befindet sich Schumacher in seinem Schweizer Anwesen am Genfer See. Alle notwendigen Maßnahmen wurden getroffen, um ihm dort die Reha im Kreis seiner Familie zu ermöglichen.
Viel Zeit ist vergangen seit dem verhängnisvollen Sturz auf Skiern. Die einst von Schumacher vehement von der Öffentlichkeit ferngehaltenen Kinder streben eigene Karrieren an. Sohn Mick, Nachwuchsfahrer in der Formel 3, erinnerte bei Facebook kurz vor dem Jahresende noch mal an eines seiner Highlights: «Einer der beeindruckendsten Momente dieses Jahres für mich. Circuit de Spa-Francorchamps, wir feierten den 25. Jahrestag des ersten F1-Siegs meines Vaters. Es war unglaublich für mich, dieses Auto zu fahren.» Das Ziel des 18-Jährigen: Selbst in der Formel 1 fahren.
Tochter Gina, 20 Jahre alt, gewann Team- und Einzel-WM-Gold bei den Jungen Reitern im Reining auf der heimischen Ranch in Givrins. Bei einer Preisverleihung in München, bei der sie in der Kategorie Sport ausgezeichnet wurde, bedankte sie sich vor allem bei ihren Eltern «für die Liebe, die sie mir jeden Tag schenken».
Ihr Vater bleibt aber abgeschirmt von der Außenwelt, die seit vier Jahren auch immer wieder und zum Teil wild spekuliert, wie es Schumacher geht. «Der Gesundheitszustand des siebenmaligen Formel-1-Weltmeisters ist Gegenstand zahlreicher Gerüchte», schrieb die französische Sportzeitung «L’Équipe» am zweiten Weihnachtstag. Es war die Titelstory, auf dem Cover ein Porträt des gebürtigen Rheinländers mit den Worten: «Schumi, wir vergessen dich nicht.»
Noch immer wirkt es beinahe absurd, dass ein Rennfahrer, der gefühlt unendlich viele Kilometer in über 700 PS starken Autos absolvierte und dabei als schwerste Verletzungen bei einem Unfall 1999 in Silverstone einen Schien- und Wadenbeinbruch erlitten hatte, beim Skifahren so schwer verunglückt. Er war nicht zu schnell gefahren, das hatten die Ermittlungen der französischen Behörden ergeben. Es war eine unfassbare Verkettung von unglücklichen Umständen.
Seitdem ist Schumacher der Pilot der Erinnerung. Ausstellungen, Auszeichnungen, die meist Managerin Kehm entgegennimmt. «Was Michael so besonders und so erfolgreich gemacht hat, so wie alle hier im Raum, waren seine Liebe und seine Leidenschaft für diesen Sport», sagt Kehm bei der feierlichen Eröffnung der Hall of Fame.
Die letzte etwas detailreichere Mitteilung zu Schumachers Zustand stammt von jenem September 2014, als Schumacher nach sechseinhalb Monaten in der Uniklinik von Grenoble und weiteren knapp drei Monaten im Universitätskrankenhaus von Lausanne nach Hause verlegt wurde. Schumacher habe «in den vergangenen Wochen und Monaten der Schwere seiner Verletzung entsprechend Fortschritte gemacht, aber es liegt weiterhin ein langer und harter Weg vor ihm», hieß es damals.
Fotocredits: Marcus Brandt
(dpa)