Frankfurt/Main – Bundestrainer/in für Frauen-Nationalmannschaft gesucht! Diese Anzeige könnte der DFB am kommenden Montag an die Tür hängen, wenn die Fußball-Lehrer aus dem aktuellen Lehrgang bei einem Festakt in Neu-Isenburg geehrt werden. Doch will diesen Job überhaupt einer?
«Es geht das Gerücht bei männlichen Trainern rum, dass, wenn man einmal im Frauenfußball war, kaum noch eine Chance hat, wieder in den Männerfußball zu kommen», sagte Frank Wormuth, Chefausbilder beim Deutschen Fußball-Bund. Vielleicht wolle aber auch kein Trainer mehr aus dem Frauenfußball heraus. Der ohnehin kleine Kandidatenkreis für die Nachfolge von Interimscoach Horst Hrubesch, der Steffi Jones beim zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameister für zwei Spiele ersetzt, ist weiter geschrumpft.
Junioren-Nationaltrainerin Maren Meinert hat laut Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter der Nationalmannschaften beim Deutschen Fußball-Bund, «aus familiären Gründen abgesagt». Ein Kandidat wäre Ralf Kellermann, der als Chefcoach mit dem VfL Wolfsburg dreimal deutscher Meister und zweimal Champions-League-Sieger war und dort nun als Sportdirektor arbeitet.
«Er hat keine Lizenz», erklärte zwar Jones-Vorgängerin Silvia Neid am Dienstagabend am Rande des DFB-Pokalspiels 1. FFC Frankfurt – Turbine Potsdam. Der fehlende Fußballlehrer-Schein ist aber kein Problem: Die UEFA fordert für einen Nationaltrainer nur die A-Lizenz, diese reicht auch in der Bundesliga. Keinen Fußball-Lehrer-Schein hat neben Kellermann beispielsweise auch Bayern Münchens Coach Thomas Wörle.
Die Entscheidung über die neue Bundestrainerin oder den neuen Bundestrainer wird das Präsidium mit Reinhard Grindel an der Spitze fällen. Grindel will mit den Bundesliga-Clubs eine Lösung finden, «die den Frauenfußball auf eine neue Grundlage stellt».
Neid hatte die Auswahl 2016 zum Olympiasieg geführt und leitet mittlerweile die Scouting-Abteilung beim Verband. Der DFB hatte Jones am Dienstag von ihren Aufgaben entbunden, nachdem die Mannschaft im vergangenen Jahr bei der EM im Viertelfinale scheiterte, um die Qualifikation für die WM 2019 bangen muss und beim SheBelieves Cups diesen Monat in den USA sieglos geblieben war.
Interimscoach für die beiden bevorstehenden WM-Qualifikationsspiele im April gegen Tschechien und in Slowenien ist Horst Hrubesch. Der 66-Jährige führte 2016 die deutschen Auswahl der Männer zu Olympia-Silber. Hrubesch forderte, in Ruhe einen Lösung zu finden, die «über die nächsten Jahre den deutschen Frauenfußball wieder fit macht für Titel». Es gebe ein klares Anforderungsprofil.
Als eine Anwärterin gilt die frühere deutsche Nationalstürmerin und heutige Schweizer Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Die 50-Jährige führte die ihre Auswahl 2015 erstmals zu einer WM und sitzt inzwischen auch im Aufsichtsrat von Fortuna Düsseldorf.
«Bei Trainern ist der Markt auf jeden Fall sehr eng. Männer verlangen andere Gehälter», erklärte Siegfried Dietrich, Manager des deutschen Rekordmeisters 1. FFC Frankfurt. An der Hennes-Weisweiler-Akdamie sind nach DFB-Angaben bisher insgesamt 756 Trainer aus dem Männerbereich Fußball-Lehrer geworden – und nur 29 aus dem Frauenfußball.
«Mein gefährliches Halbwissen (…) bei jungen Trainern ist, dass man den Männerfußball nur aufgrund der Athletik und der Bezahlung bevorzugt. Mit Athletik meine ich die Dynamik im Spiel», sagte Chefausbilder Wormuth. Er brauche nicht noch explizit zu erwähnen, dass im Männerfußball mehr bezahlt werde.
Während junge Trainer wie Julian Nagelsmann (1899 Hoffenheim), Domenico Tedesco (Schalke 04) und Florian Kohfeldt (Werder Bremen) in der Bundesliga absolut angesagt sind, ist der Kreis von Fußball-
Lehrer(innen) im Frauenfußball überschaubar. Der DFB hatte in den zwanzig Jahren vor Jones‘ Beförderung nur zwei Bundestrainerinen: Tina Theune und Silvia Neid.
Unterschiede bei der Ausbildung zwischen Männer- und Frauenfußball, so Wormuth, würden nur in den Fächern Sportpsychologie und Trainingswissenschaft gemacht, nicht aber im technisch-taktischen Bereich. «Fußball ist Fußball», sagte nun auch Hrubesch. «Wir werden jetzt, so wie wir es im Männerbereich auch machen würden, mit den Spielerinnen reden und auf die Vereine zugehen.»
Bis zum wichtigen Qualifikations-Rückspiel in Island am 1. September hat der DFB noch fast ein halbes Jahr Zeit, um sich nach dem Fehlschlag mit der im Trainergeschäft völlig unerfahrenen Jones neu aufzustellen.
Fotocredits: Arne Dedert
(dpa)