Rio de Janeiro (dpa) – Die Smartphones standen nicht mehr still, in den Büros wälzten Richter, Kommissäre sowie Funktionäre unter Zeitdruck die Akten – und am Ende durfte Präsident Wladimir Putin aufatmen.
Einen Tag vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro sorgte der Tauglichkeits-Check für russische Sportler beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für hektische Betriebsamkeit. Nach der weltweiten Kritik über ein vermutliches Staatsdoping-System in Russland dürfte im fernen Moskau aber Zufriedenheit eingekehrt sein. Ein immer noch stattliches Team von mehr als 250 russischen Athleten wird in den kommenden 16 Tagen um olympische Medaillen kämpfen.
Russische Athleten in den Sportarten Boxen, Judo, Schießen, Tennis, Handball und Volleyball erhielten als erste die Starterlaubnis. Auch die beiden Wackelkandidaten im Schwimmen, Wladimir Morosow und Nikita Lobinzew, wurden von der unabhängigen IOC-Kommission um Athletensprecherin Claudia Bokel durchgewunken. Der Schwimm-Weltverband FINA hatte beide Athleten zunächst für Rio gesperrt. Nachdem allerdings der CAS die Entscheidung am Mittwoch revidiert hatte, gab auch das Dreier-Gremium des IOC grünes Licht.
Ex-Fechterin Bokel sowie ihre Mitstreiter Ugur Erdener (Türkei) als Chef der medizinischen Kommission und Juan Antonio Samaranch jr. (Spanien) hatten eine wahre Herkulesarbeit zu bewältigen, mussten sie doch bis Freitag bei allen russischen Athleten eine Einzelfallprüfung durchführen. Bei den kniffligen Fällen waren die CAS-Richter gefragt. Wie etwa im Fall der Schwimmerin Julia Jefimowa, dem wohl brisantesten Fall beim Prüf-Marathon.
Die Russin ist als frühere Dopingsünderin für Rio gesperrt. Diese Maßnahme hatte das IOC für alle vorbelasteten russischen Sportler beschlossen und damit entgegen des Reglements entschieden. Jefimowa hatte sich damit aber nicht abgefunden und den CAS angerufen. Schließlich hatte der Sportgerichtshof schon 2011 die Osaka-Regel gekippt, wonach Sportler nach einem Dopingvergehen an den folgenden Spielen nicht teilnehmen durften. Wie schwer sich die Juristen taten, zeigte, dass ein Urteil in dem Fall immer wieder verschoben wurde.
Einfacher war es da in anderen Sportarten. Dass alle elf russischen Judoka teilnehmen werden, dürfte Putin besonders freuen. Schon der Judo-Weltverband (IJF) hatte den Athleten grünes Licht gegeben, was nicht wirklich überraschte. IJF-Präsident Marius Vizer unterhält beste Kontakte zum russischen Staatschef, der früher selbst auf der Matte stand und Ehrenpräsident des Weltverbandes ist.
Im Boxen sind elf, im Schießen 21 und im Tennis acht russische Sportler dabei. Auch das 17-köpfige Frauen-Handball-Team wurde komplett zugelassen, ebenso wie die Teams im Volleyball sowie im Beachvolleyball. Auch Golferin Maria Wertschenowa darf beim Olympia-Comeback ihrer Sportart nach 112 Jahren mitwirken. Sogar der russische Kanufahrer Andrej Krajtor wurde zugelassen, was das russische NOK sogar vor Probleme stellte. Nach der Sperre durch den Kanu-Weltverband war bereits Ersatzmann Iwan Schtyl nominiert worden. Dieser soll auch starten.
Bestätigt wurde auch Weitspringerin Darja Klischina, die vom Weltverband als einzige Leichtathletin dem Komplett-Ausschluss entkam. Klischina lebt in Florida und konnte so nachweisen, dass sie hinreichend kontrolliert worden war. Neben den Leichtathleten hatte auch der Gewichtheber-Weltverband die gesamte russische Mannschaft von Olympia verbannt. Damit wollten sich vier der acht Athleten aber nicht abfinden, sie legten beim CAS Einspruch ein.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur hatte dem russischen Olympia-Team den Ärger durch den hochbrisanten McLaren-Report eingebrockt und sogar einen Komplett-Ausschluss gefordert, was das IOC aber ablehnte.
In weiser Voraussicht hatte die russische Mannschaft bereits vor den finalen Entscheidungen die russische Fahne im olympischen Dorf aufgezogen. «Die Stimmung ist gut. Wir hoffen, dass es nicht das letzte Mal war, dass die russische Fahne bei Olympia gehisst wird», scherzte Alexander Schukow, der Präsident des Russischen Olympischen Komitees (ROC).
Fotocredits: Frank May