Roubaix – Die französischen TV-Reporter sprachen von der «deutschen Maschine», für seine Teamkollegen gehört er bereits zu den «besten Fahrern der Welt».
Nils Politt scheint mit dem zweiten Platz beim berühmt-berüchtigten Kopfsteinpflaster-Klassiker Paris-Roubaix und schon im vierten Profijahr in der Weltspitze angekommen zu sein.
«Jetzt werden sie mich wirklich zu 100 Prozent auf dem Radar haben», sagte der 1,92-Meter-Schlacks überglücklich im Ziel der ehrwürdigen Betonpiste im Vélodrome von Roubaix. Politt sprach nach seiner bravourösen Vorstellung in der sogenannten Hölle des Nordens vom «Highlight» seiner Karriere. Der 25-jährige Kölner musste sich nach 257 Kilometern, davon 54,5 über das brutale Kopfsteinpflaster, nur Ex-Weltmeister Philippe Gilbert geschlagen geben und erntete von allen Seiten Respekt.
«Er ist ein brutal harter Arbeiter, ein sehr loyaler Teamkollege und spätestens jetzt einer der besten Radfahrer der Welt», meinte Politts österreichischer Katusha-Alpecin-Teamkollege Marco Haller. Und die sportliche Leitung war sich sicher, dass Politts Etappensieg bei der letztjährigen Deutschland-Tour nicht dessen einziger Profisieg bleiben wird: «Er wird in der Zukunft ein Monument gewinnen. Er ist für diese Rennen geboren», sagte Teamchef Dirk Demol, 1988 selber Sieger bei Paris-Roubaix. Neben der Tortur in Nordfrankreich werden die Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo, Flandern-Rundfahrt und Lüttich-Bastogne-Lüttich sowie die Lombardei-Rundfahrt im Herbst als Monumente des Radsports bezeichnet.
Im Alter von neun Jahren bekam Politt seine erste Radsport-Lizenz. Damals ging er für den RV Komet Delia Köln an den Start. Ganz genau erinnert sich der Mann mit dem Faible für Fruchtgummis (Color-Rado-Mischung) noch an seine erste Roubaix-Erfahrung als Junior im Jahr 2015: Fünfmal stürzte er und musste das Rennen vorzeitig aufgeben. «Doch danach sagte ich: Dieses Rennen mag ich, ich könnte es gewinnen.»
Auch wenn von allen Seiten Lob auf den Allrounder einprasselte, sich selber sieht er noch nicht ganz in der Weltspitze. «Das ist halt schwer, gerade als junger Fahrer. Ich werde weiter hart arbeiten und dann werden wir sehen, was dabei rauskommt», meinte Politt, der nun erstmal eine Woche Urlaub am Chiemsee mit seiner Ehefrau Annike machen wird. Im Rennprogramm geht es dann in zwei Wochen beim Ardennen-Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich weiter, jedoch nur als Helfer von Ilnur Sakarin.
Politts Teilnahme am Saison-Höhepunkt, der Tour de France, ist jedoch fraglich. Der junge Rheinländer verriet im Rausch der Glücksgefühle in Roubaix, dass er bald Vater werde. Der errechnete Geburtstermin der gemeinsamen Tochter: Der 15. Juli – ausgerechnet während der Tour. «Da kann man nix machen», sagte Politt mit einem Lächeln.
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(dpa)