Rio de Janeiro – Abgeklärt und souverän führte Philip Hindes nach der erneuten Goldmedaille im Teamsprint die Sieger-Interviews in fließendem Englisch. Von seiner deutschen Vergangenheit ist nicht mehr viel übrig geblieben.
«Meine Eltern wohnen zwar in Krefeld, aber ich fühle mich als Engländer, hier bin ich zu Hause», sagte Hindes der Deutschen Presse-Agentur und beschrieb den Wechsel auf die Insel vor fünf Jahren als «goldrichtige Entscheidung».
Bei den olympischen Bahnrad-Wettbewerben in Rio de Janeiro führte der Youngster bereits zum zweiten Mal den britischen Hochgeschwindigkeits-Express als Anfahrer zur Goldmedaille. Wieder stand er ganz oben auf dem Podest, und das mit gerade einmal 23 Jahren. Momente, die er im deutschen Team wohl nie erlebt hätte, er hätte vermutlich nicht einmal ein Ticket für Rio de Janeiro erhalten.
Rückblick: Vor sechs Jahren holte Hindes, der in Krefeld geboren und in Kaiserslautern gefördert wurde, mit der deutschen Mannschaft bei der Junioren-WM Bronze. Der Weg ins Nationalteam schien aber auf Jahre hinweg versperrt zu sein. Rene Enders galt schon damals als bester Anfahrer der Welt. Da kam die Anfrage aus England zur rechten Zeit. Denn die Briten hatten Weltklasse-Sprinter wie Chris Hoy und Jason Kenny, nur ein Anfahrer fehlte noch in ihren Reihen. Dieser muss aus dem Stand beschleunigen und sorgt von Beginn an für das hohe Tempo.
Auch weil der Deutsche Olympische Sportbund zur Verärgerung von Bundestrainer Detlef Uibel sein Veto nicht eingelegt hatte, klappte der Wechsel im Eiltempo. Hindes ging an die Sport-Akademie nach Manchester, trainierte fortan in Vollzeit und erhielt die volle Förderung durch die Lotterie. Sprinttrainer Jan van Eijden, der einst im deutschen Nationaltrikot Weltmeister wurde, half bei der Eingewöhnung und den Sprachbarrieren.
Der Umstieg sei schwer gewesen. «Du musst der Schnellste sein, sonst kommst du nicht ins Team», berichtete Hindes. Und der Krefelder war der Schnellste, seine Startzeiten verbesserten sich genauso schnell wie sein Englisch. Inzwischen ist er längst akzeptiert und ein fester Bestandteil im Starensemble von UK Cycling.
«Wir sind alle bodenständig, echte Teamkollegen. Mit Bradley Wiggins kannst du auch mal Witze machen. Das sind alles normale Leute», erzählt Hindes, für den die Sommerspiele in Rio nun beendet sind. Einzelstarts hat er nicht mehr auf dem Programm, es steht nur noch Sightseeing bis zur Abreise in gut einer Woche.
Ein bisschen Mitleid mit seinen alten Kollegen, die in Rio nicht über einen enttäuschenden fünften Platz hinauskamen, hatte er aber doch. «Die Deutschen waren bei den letzten Weltcups und der WM immer vorne dabei. Der Ausfall von Max Niederlag ist Pech, aber so ist der Sport», sagt Hindes, den sie beim BDR nun gut gebrauchen könnten. Denn Rene Enders hat nach seinen dritten Spielen das Kapitel Olympia zugeschlagen. Einen Anruf bei Hindes kann sich der Bundestrainer aber sparen.
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(dpa)