Berlin – Rekord verpasst und kein neues Fußball-Fest gegen Brasilien: Knapp drei Monate vor der WM haben wiedererstarkte Südamerikaner zurückgeschlagen und die Niederlagenlose-Serie der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beendet.
Der weitgehend mit der zweiten Reihe angetretene Weltmeister unterlag in Berlin einer hochmotivierten Seleção mit 0:1 (0:1) – es war die erste Niederlage nach dem verlorenen EM-Halbfinale 2016.
«Das war heute keine ganz runde Leistung von uns. Die Mannschaft und jeder einzelne kann natürlich besser spielen», sagte Bundestrainer Joachim Löw: «Es war irgendwie nicht unser Tag. Aber dafür sind diese Spiele da, damit man was probieren kann.»
Den entscheidenden Treffer vor 72.717 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion erzielte Gabriel Jesus (37. Minute). Für Brasilien war es 1358 Tage nach dem 1:7-Trauma im WM-Halbfinale 2014 ein hochemotionaler und verdienter Erfolg. Der hätte sogar noch klarer ausfallen können. Der 38 Jahre alte deutsche Ungeschlagen-Rekord von 23 Partien unter Jupp Derwall bleibt damit unerreicht, die deutsche Serie endete nach zuvor 22 Begegnungen ohne Pleite.
«Mannschaftlich überwiegt heute klar das Negative», sagte Mittelfeldspieler Toni Kroos: «Wir haben klar gesehen, dass wir doch nicht so gut sind wie manche vielleicht denken. Das war deutlich zu wenig von uns.» Ilkay Gündogan sah «ein bisschen Licht, aber auch sehr viel Schatten. Wir haben viele Fehler gemacht.» Torhüter Kevin Trapp bilanzierte: «Wir konnten unsere Chancen nicht in Tore umwandeln. Wir hätten das Spiel nicht verlieren müssen.»
Die deutsche Mannschaft kam zunächst besser ins Spiel als noch beim 1:1 am Freitag gegen Spanien. Und das, obwohl Löw sein 160. Länderspiel vor allem dazu nutzte, 82 Tage vor dem WM-Start am 17. Juni in Moskau gegen Mexiko einige neue personelle Varianten zu testen. Der 58-Jährige veränderte die Startelf auf sieben Positionen. «Man hat unserer Mannschaft die Wechsel angemerkt, wir haben viele leichte Fehler gemacht», sagte Löw. Nach ordentlichem Start zeigte sich später, dass geschonte Stammkräfte wie Mesut Özil, Thomas Müller oder Mats Hummels eine noch höhere Qualität aufweisen und fehlten.
Die Brasilianer, die zuvor 3:0 bei WM-Gastgeber Russland siegten und weiter auf den verletzten Superstar Neymar verzichten müssen, begannen mit Respekt und hatten erst nach einem Fehler von Ilkay Gündogan durch Philippe Coutinho eine gute Möglichkeit (11.). Der deutsche Abwehrblock um den in seiner Heimatstadt erstmals als Kapitän beginnenden Jérôme Boateng stand zunächst sicher. Nach einem Schlag auf die Wade wurde Boateng in der 68. Minute ausgewechselt.
Der international noch unerfahrene Marvin Plattenhardt schlug zwar einige ordentliche Flanken, schaffte es aber nicht, seine linke Seite gegen Willian zu verteidigen. Der Pass des Brasilianers hatte schon die größte Gelegenheit der Gäste eingeleitet, als Jesus Boateng und Antonio Rüdiger düpierte und über das Tor schoss (36.). Zwei Minuten später konnte Rüdiger eine Willian-Flanke nicht verhindern. Gegen den Kopfball von Jesus reagierte Keeper Kevin Trapp noch mit einem guten Reflex, aber der Ball landete im Tor.
Trapp spielte für Marc-André ter Stegen, der in der Hauptstadt geschont wurde. Auch Stürmer Mario Gomez bekam im letzten Länderspiel vor der Bekanntgabe des vorläufigen WM-Kaders am 15. Mai in Dortmund eine Chance. Der Angreifer vom VfB Stuttgart war im Strafraum immer präsent, wartete aber vergeblich auf präzise Hereingaben. Nach einer guten Stunde wurde der 32-Jährige durch Sandro Wagner ersetzt, der sich mit seiner körperlichen Art noch einige Möglichkeiten erarbeitete. Einen Kopfball aus guter Position brachte der Münchner aber nicht auf das Tor (72.).
Insgesamt zeigte sich, dass die weitgehend mit der zweiten Garnitur angetretenen Gastgeber durchaus eigene Qualitäten einbringen konnten, doch die Brasilianer traten wie von Löw prophezeit völlig anders auf als beim traumatischen 1:7 vor vier Jahren in Belo Horizonte. Die Auswahl von Nationaltrainer Tite agierte kompakt mit einer überzeugenden defensiven Grundordnung. In der ersten Halbzeit stoppten sie deutsche Angriffsaktionen schon vor dem Strafraum.
In Marcelo und Fernandinho bot Tite nur noch zwei Profis vom letzten Aufeinandertreffen 2014 auf. In Boateng und Toni Kroos waren auch bei der DFB-Elf nur noch zwei Akteure aus den damaligen Startformationen von Anfang an dabei. Bei den Deutschen bekamen Thomas Müller und Mesut Özil eine Pause und reisten gar nicht erst mit nach Berlin.
In der zweiten Halbzeit hätten die Brasilianer ihre Führung ausbauen können, die beste Möglichkeit vergab Jesus, der in der 68. Minute nicht ins leere Tor köpfen konnte. Der Weltmeister fand hingegen immer weniger Gegenmittel gegen die diszipliniert spielenden Südamerikaner. Zumal neu in die Elf gerückte Spieler wie Leroy Sané oder Ilkay Gündogan zu wenig gelang. Gerade in die Schnelligkeit des jungen Sané hatte Löw viele Hoffnungen gesetzt. Der Ex-Schalker spielte aber zu fahrig und unentschlossen. Auch Gündogan leistete sich zu viele Fehler. Draxler verpasste in der Nachspielzeit noch den möglichen Ausgleich.
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(dpa)