Berlin – Joachim Löw war «sehr zufrieden» – und das zahlte sich für seine WM-Kandidaten auch ohne Sieg gegen bärenstarke Spanier in Freizeit aus.
Nach dem Umzug der deutschen Nationalmannschaft ins neue Berliner Quartier mussten am Tag nach dem intensiven 1:1 (1:1) nur die Reservisten richtig trainieren. Danach gab’s frei für alle. Erst am Sonntag läuft die Vorbereitung auf die zweite große Fußball-Kraftprobe mit Rekordweltmeister Brasilien an, allerdings ohne Thomas Müller und Mesut Özil. Auf das gesetzte WM-Duo verzichtet Löw am Dienstagabend (20.45 Uhr) im Olympiastadion.
Im für den DFB-Tross gecharteten Propellerflugzeug konnte sich der Bundestrainer auf dem kurzen Nachtflug von Düsseldorf in die Hauptstadt entspannt auf seinem Sitz zurücklehnen. Löw hatte gegen die technisch brillanten Spanier genau das bekommen, was er sich zum Start in das WM-Jahr gewünscht hatte. «Es war ein sehr intensives Spiel, das viele wichtige Erkenntnisse gebracht hat für uns.»
Eine Erkenntnis war für den Weltmeistercoach nicht neu. Löw ahnte schon vorher, dass die Mission Titelverteidigung eine Herkulesaufgabe darstellen wird. «Wer glaubt, dass es eine einfache Geschichte wird bei der WM, der täuscht sich gewaltig», dozierte Löw. Auch Müller, der mit seinem wunderschönen 38. Länderspieltor das frühe 0:1 der Gäste von Rodrigo ausgleichen konnte, hob die zentrale Erkenntnis der 90 Spielminuten hervor, die große Lust auf den Turniersommer machten. «Das Spiel war zuerst einmal wichtig, um den Zuschauern und auch den Journalisten zu zeigen, dass es auch andere Mannschaften auf diesem Planeten gibt, die Fußball spielen können», sagte Müller lächelnd.
Löw war sich mit Spaniens Coach Julen Lopetegui einig, dass ein mögliches Halbfinalduell in Russland noch von anderem Kaliber wäre. «Beide Mannschaften können bei der WM noch mehr zeigen», meinte der Bundestrainer. «Zumindest von den Topnationen dürfen wir solche Spiele erwarten bei der WM», sagte auch Abwehrspieler Mats Hummels: «Das ist genau der Fußball, den man spielen will auf dem Niveau.»
Die Spanier mit den kreativen Einzelkönnern um Real-Star Isco und Barcelona-Legende Andres Iniesta zeigten etliche Defizite auf, an denen Löw mit seinem Kader im Trainingslager arbeiten muss. Dabei muss man nicht so kritisch sein, wie es Chef-Mahner Jérôme Boateng war. Was besser werden müsse, wurde der Weltmeister gefragt: «Alles! In jeder Hinsicht», antwortete der Abwehrhüne und zählte die Mängel auf: «Chancenverwertung. Passspiel. Wir müssen zielstrebiger zum Tor spielen und auch besser zusammenarbeiten. Das Umschalten muss auch besser werden. Wir kriegen drei oder vier Konter, das geht nicht.»
Vieles ist noch ambivalent. In 22 Länderspielen seit dem verlorenen EM-Halbfinale 2016 ist Löws Team nun ungeschlagen. Nur noch ein weiteres fehlt zum deutschen Allzeitrekord unter Jupp Derwall vor 38 Jahren. Aber in den letzten drei Testpartien gegen England (0:0), Frankreich (2:2) und jetzt Spanien gelang kein Sieg mehr. «Wir haben jetzt gegen die Topfavoriten gespielt. Es war schön zu sehen, dass wir mithalten können. Wir haben zwar keins mehr gewonnen, aber auch keins verloren», sagte der mit seinem Tempo bestechende Timo Werner.
Der Leipziger Angreifer ist einer von vier Confed-Cup-Siegern, die sich in die sich abzeichnende WM-Elf gekämpft haben. Marc-André ter Stegen bewies im Tor erneut, dass er mehr als ein Ersatz für Kapitän Manuel Neuer ist. Als Außenverteidiger sind Jonas Hector und Joshua Kimmich längst Fixkräfte. Der 22-jährige Werner ist mit seiner Art, vorne zu spielen, bereits konkurrenzlos. Der Konkurrenzkampf um die Plätze in der WM-Startelf am 17. Juni gegen Mexiko beschränkt sich auf zwei Positionen: Links vorne und auf der Doppel-Sechs neben dem unantastbaren Taktgeber Toni Kroos. «Wir haben genug Qualität, um beim Turnier solche Mannschaften auch zu schlagen», sagte Werner.
Nochmals belegt werden soll diese Aussage gegen die extrem heißen Brasilianer, die WM-Gastgeber Russland am Freitag mit 3:0 besiegten und auch ohne den verletzten Topstar Neymar Wiedergutmachung für das 1:7 im WM-Halbfinale 2014 wollen. Löw kündigte für Testlauf II – zugleich die letzte Sichtung vor der Bekanntgabe des vorläufigen WM-Kaders am 15. Mai – einige personelle Veränderungen an.
Ilkay Gündogan und Leroy Sané erhielten ebenso wie Lokalmatador Marvin Plattenhardt von Hertha BSC eine Einsatzgarantie. «Diese drei Wechsel wird es auf jeden Fall geben», verriet Löw. Sami Khedira ist angeschlagen, Emre Can reiste wegen anhaltender Rückenprobleme am Samstag vorzeitig ab. Sebastian Rudy stieß dagegen nach der Geburt seines Sohnes David zum DFB-Aufgebot. Jungstar Werner äußerte sich vor seiner Brasilien-Premiere kämpferisch: «Jetzt hatten wir den Europa-Klassiker. Und jetzt kommt der internationale. Auch da werden wir Sachen wieder probieren. Hoffentlich dann mit einem Sieg.»
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(dpa)