Peyragudes – Didi Thurau war Marcel Kittel gar nicht böse. Der frühere Frankfurter Radstar machte vielmehr zu Ehren des deutschen Supersprinters in der Schweiz eine gute Flasche Rotwein auf.
«Ich find es cool, dass er jetzt auch fünf Etappensiege in einer Tour geschafft hat. Kittel hat alles, was man als Champion braucht. Er kommt sicher auch bei den Frauen gut an», sagte Thurau der Deutschen Presse-Agentur.
40 Jahre hatte Thuraus deutscher Rekord gehalten, ehe Kittel am Mittwoch in Pau bei der 104. Frankreich-Rundfahrt im Hochgeschwindigkeitstempo zu seinem fünften Sieg gerast war. Und ein Ende ist noch längst nicht in Sicht. Insbesondere der Prestigesprint auf den Champs Élysees sowie ein, zwei weitere Chancen warten noch auf den 29-Jährigen. «Kittel ist eine super Geschichte und in diesem Moment ein Glücksfall für den deutschen Radsport. Seine Persönlichkeit ist erfrischend und es ist beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit, er die Siege holt», schwärmt auch Seoul-Olympiasieger Olaf Ludwig, der 1990 als erster Deutscher nach Rudi Altig das Grüne Trikot auf die Champs Élysées trug.
Kittel selbst feierte im Kreis der Mannschaft den fünften Sieg mit einem altbekannten Ritual: Zum Abendessen wurde eine Flasche Champagner geköpft. «Ich stoße auf eine Gruppe Champions an», sagte Kittel. Der größte Champion ist er dabei selbst. 14 Tour-Etappensiege hat er jetzt bereits geholt und damit den deutschen Ex-Rekordhalter Erik Zabel (12) hinter sich gelassen. Längst ist die Diskussion im Gange, auf welcher Stufe Kittel im Vergleich zu den Größten seiner Zunft steht. Für Zabel ist er gar «der neue Cipollini – nur schöner und hübscher», wie der frühere Telekom-Sprinter dem Internet-Portal Radsport-News sagte.
Kittel erinnert Thurau an Freddy Maertens, «nur mit viel mehr Ausstrahlung». Der Belgier hatte 1976 wie einst sein Landsmann Eddy Merckx (1970/1874) oder der Franzose Charles Pelissier (1930) acht Etappensiege während einer Tour geholt. Bis dahin ist es für Kittel ein weiter Weg. Ludwig ist dabei «ein wenig enttäuscht» von der Konkurrenz. «Es ist schwach von den anderen Mannschaften, sich auf eine Sprintankunft einzulassen. Sie müssten mehr Druck ausüben und die Etappe anders gestalten», sagte Ludwig der dpa.
Kittel kann es egal sein. Bevor er sich zu neuen Rekorden aufmacht, muss er aber erst einmal in den Pyrenäen leiden. In diesen Tagen geht es für den Thüringer darum, innerhalb der Karenzzeit zu bleiben. Trotzdem will er in den Zwischensprints auch Punkte sammeln. «Ich kämpfe auch auf Bergetappen um das Grüne Trikot. Das wird eine neue Erfahrung für mich.» Mit 335 Punkten liegt er bereits 133 Zähler vor dem Australier Michael Matthews. Dritter ist André Greipel (171).
Egal wie die Tour für Kittel auch endet, im Anschluss wartet auf ihn ein neuer Supervertrag. Seinen Marktwert hat er auf schätzungsweise mindestens zwei Millionen Euro hochgeschraubt. Das Tony-Martin-Team Katusha-Alpecin soll ganz heiß auf ihn sein. Zumal Kittel auch dem Image der einst anrüchigen Equipe mit russischer Vergangenheit gut tun würde.
Kittel hat in den vergangenen Jahren eine Vorreiterrolle im Anti-Doping-Kampf eingenommen. So ist auch Thurau, der 1977 insgesamt 15 Tage im Gelben Trikot fuhr, überzeugt, dass Kittel «absolut sauber» ist. «Bei Froome und Co. bin ich mir da nicht so sicher», ergänzte der einstige «blonde Engel», der es früher in Sachen Doping nicht so genau nahm und heute in der Schweiz als Immobilienmakler tätig ist.
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(dpa)