Monte Carlo – Es war ein Rennen, das die Formel 1 brauchte. Eines gegen die Langeweile, die droht, selbst wenn der Sieger am Ende wieder Lewis Hamilton hieß.
Der fünfmalige Weltmeister bewies auch beim Klassiker in Monaco: Er ist das Maß der Dinge. Die Lehren aus dem spektakulären Rennen, bei dem Sebastian Vettel hinter Hamilton sich über seine beste Saisonplatzierung freuen durfte.
HAMILTON, DER STARKE
Wer soll ihn eigentlich schlagen? Es war sein vierter Sieg in dieser Saison, der 77. in seiner Karriere. Lewis Hamilton, der Superlativ. Er holte die Pole, die 85. in seiner Laufbahn, er verteidigte sie souverän beim Start. Er trotzte den eigenen Riesensorgen um die Reifen. «20 Runden vor Rennende sah ich keine Möglichkeit, dass ich mit den Reifen bis ins Ziel durchkommen würde», erzählte Hamilton. «Ich glaubte, dass ich abfliegen würde, so sehr hatte ich mit dem Auto zu kämpfen. Auf den Reifen war absolut nichts mehr drauf.» Es reichte ihm, um selbst im packenden Duell mit Max Verstappen der Sieger zu bleiben.
MERCEDES MACHT AUCH FEHLER
Dass Hamilton so um seine Reifen zittern musste, lag an seinem Team. «Rückblickend wissen wir, dass die Reifenwahl bei Lewis falsch gewesen ist. Wir hätten bei seinem Stopp auf die harten Reifen wechseln müssen», betonte Teamchef Toto Wolff. Hamilton musste das Rennen als einziger der Top Vier auf der weicheren Mischung zu Ende fahren. Über 60 Runden.
MERCEDES MACHT SICH AUCH ÜBER SICH SELBST LUSTIG
Da hatten die Silberpfeile gut lachen. «Nun, im Nachhinein ist es recht klar: Mit den härteren Reifen hätten wir dasselbe Ergebnis erzielt – nur mit weniger Stress», erzählte der zuständige Mercedes-Ingenieur James Vowles in einem Video des Teams bei Instagram am Sonntagabend. «Wir wollten es ein bisschen spannend machen.» Die Unterhaltung mit Lewis via Funk sei gut gewesen, bei der Nachbesprechung würden sie bestimmt noch mehr Spaß haben. «Zuerstmal hoffe ich, dass er mich umarmt», sagte Vowles.
Die Umarmung bekam er. Allerdings ließ es sich Hamilton nicht nehmen, den Renningenieur mit einer Flasche Schampus und sichtlicher Freude vollzuspritzen, während dieser konzentriert und mit Kopfhörern vor seinem Laptop saß. «Ihr habt mir diese Medium-Reifen für 68 Runden gegeben», schimpfte Hamilton mit einem Augenzwinkern.
RISIKO, VOLLES RISIKO
Für Hamilton gab es nur zwei Möglichkeiten angesichts der Reifen: Durchkommen oder Unfall. Er fuhr volles Risiko. Verstappen ebenfalls. Er wusste: Im Ziel bekomme ich fünf Sekunden drauf, wegen einer zu frühen Freigabe durch die Red-Bull-Boxencrew. Dennoch fuhr Verstappen volle Attacke. Vernünftig? Das Crashrisiko bei seinem Manöver zwei Runden vor Schluss war groß, Siegchancen hätte er kaum gehabt, er hätte auf knapp sieben Kilometern fünf Sekunden auf Hamilton rausfahren müssen. Verstappens Dauerdruck auf den Briten verlieh dem Rennen aber eine grandiose Spannung.
Dass es so dramatisch zuging, hatten sie alle aber auch einem zu verdanken, der ebenfalls alles auf eine Rechnung gesetzt hatte: Charles Leclerc. Sein Crash in der Rascasse mit Nico Hülkenberg und der platte Reifen am Ferrari lösten die Safety-Car-Phase, die zum Spannungsturbo wurde. Für Leclerc endete das Heimrennen allerdings im Fiasko.
VETTEL SUCHT DEN GRIP-MANN
Das Problem des Ferraris bleibt, darüber kann der zweite Rang von Vettel und damit seine beste Platzierung in diesem Jahr nicht hinwegtäuschen. Er freue sich auf die nächsten drei, vier, fünf Rennen, sagte Vettel, man müsse das Auto natürlich weiter verbessern und für mehr Grip, also Bodenhaftung sorgen, damit man schneller werde. «Aber dieser Kerl scheint sich ziemlich zu verstecken», scherzte Vettel. Man suche ihn schon seit einer Weile. Ferraris Problem: Der Wagen ist in den Kurven durch den fehlenden Grip nicht schnell genug. Die Überlegenheit auf den Gerade reicht nicht aus, um die übermächtigen Silberpfeile zu bezwingen.
VETTEL WAR INSGESAMT GUT DRAUF
Der Grip-Mann wird noch gesucht, in Sachen Humor ist Vettel schon fündig geworden und ganz der Alte. Immer wieder schaltete sich der Hesse in Hamiltons Ausführungen bei der Pressekonferenz nach dem Rennen ein. Beispiel? Hamilton: «Ich habe eine schlechte Erinnerung, aber ich denke, es war das härteste Rennen, das ich jemals gefahren bin.» Vettel: «An wieviele Rennen erinnerst Du dich denn, wenn Du so eine schlechte Erinnerung hast?» Hamilton: «Ich habe die schlechteste Erinnerung. Ich erinnere mich wirklich nicht an viele vergangene Rennen.» Vettel: «Dann ist ja jedes Rennen das größte, wenn Du dich an die anderen nicht erinnern kannst.»
Oder als Hamilton ankündigte, sich am Abend ein schönes Essen zu gönnen und dazu ein Glas Wein oder ein paar Gläser zu trinken, riet Vettel: «Sag doch einfach: eine Flasche.»
Fotocredits: David Davies
(dpa)