München – Am Ende einer Europapokalwoche mit spektakulären Fußball-Wundern verspürt Niko Kovac keinerlei Lust, auch noch für ein dramatisches Meisterschaftsfinale in der Bundesliga zu sorgen.
Der siebte Titelstreich am Stück soll dem FC Bayern München schon am Samstag (15.30 Uhr) beim Vorlauf für das DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig gelingen. «Ich würde mir wünschen, dass wir es vor dem letzten Spieltag schaffen. Ansonsten wird es eine Nervenangelegenheit für uns alle», sagte Kovac. Ein Auswärtssieg in der Leipziger Arena würde im Duell mit Borussia Dortmund jede Rechnerei überflüssig machen. Mit vier Punkten Vorsprung gehen die Bayern in den Endspurt.
Wie verrückt der Fußball sein kann, erlebten Kovac und seine Spieler in dieser Woche bei der Ansicht der Champions-League-Erfolge von Liverpool und Tottenham. Und schließlich war auch die eigene Saison ein ständiges «rauf und runter», wie Kovac sagte. «Die zehn Monate waren sehr lehrreich, sehr intensiv», gestand der 47-jährige Kroate, der seine erste Meister-Krönung als Trainer nicht erst in einer Woche gegen seinen Ex-Club Eintracht Frankfurt erleben möchte. «Man muss erst alles erledigen, bevor man feiert», mahnte Kovac.
Ein Selbstläufer ist der Titelgewinn nicht, auch wenn alles für den Rekordmeister spricht. «Wenn du Titel gewinnen willst, musst du es auf dem Platz zeigen. Nur mit Wollen und Reden schaffst du nichts», sagte Arjen Robben. Der 35-Jährige möchte sich mit Titel Nummer acht verabschieden. Der ein Jahr ältere Franck Ribéry steht sogar vor der neunten Meisterschaft – das wäre Liga-Rekord.
Ein sensationelles Scheitern kurz vor der Ziellinie versuchen die Münchner Stars auszublenden. «Ein Auswärtsspiel in Leipzig ist nie eine leichte Aufgabe. Aber man will diese Spiele, in denen man sich beweisen muss», sagte Thomas Müller. Er erinnerte an das 5:0 gegen Dortmund. «Wenn der Druck am größten ist, müssen wir da sein.»
Schenken werden gerade die Leipziger den Bayern zwei Wochen vor dem Duell im DFB-Pokal-Finale in Berlin nichts. «Im Idealfall wollen wir beide Spiele gewinnen», kündigte Ralf Rangnick vor seinem letzten Heimspiel als RB-Coach. Keine Frage: Ein Sieg in Berlin wäre für die Sachsen sehr viel bedeutender. Mit der Champions-League-Qualifikation hat der Tabellendritte sein Bundesligaziel längst erreicht. Trotzdem versicherte Rangnick: «Wir haben richtig Bock auf das Spiel.»
«Die Anspannung wird für Leipzig im Endspiel eine größere sein», bemerkte Kovac. Ein Pokalfinale sei ein K.o.-Spiel und darum nicht vergleichbar: «Es ist dieselbe Paarung, aber unter ganz anderen Vorzeichen.» Die Bayern wollen als Meister nach Berlin fahren. Die Leipziger wiederum wollen die Münchner nicht in ihrer Arena jubeln sehen. Die Partie birgt stets Brisanz, weil sie sich in der Zukunft zu einem dauerhaften Duell um nationale Titel entwickeln könnte.
Kovac zählt nicht zu den Kritikern des Erfolgsmodells, das der österreichische Getränkekonzern Red Bull in Sachsen erschaffen hat. «Es steckt gute, strukturierte Arbeit dahinter. Es gibt viele Clubs, die Geld haben und nichts auf die Reihe bekommen», sagte Kovac, der einst Profi und Co-Trainer bei Österreichs Serienmeister Red Bull Salzburg war.
Der Bayern-Coach erwartet ein «enges Spiel», das er ohne den noch nicht wieder einsatzfähigen Kapitän Manuel Neuer angehen muss. Auch der angeschlagene Javi Martínez dürfte ausfallen. «Javi ist gerade in Auswärtsspielen sehr wichtig gewesen», bemerkte Kovac. Zusätzliche Brisanz kommt ins Spiel, weil Leipzigs Nationalstürmer Timo Werner als künftiger Bayern-Profi gehandelt wird – im Sommer oder 2020 ablösefrei. Der «Kopf» des RB-Teams ist für den ehemaligen Leipziger Joshua Kimmich aber nicht Werner, sondern ein Schwede. «Sie haben einen alles überragenden Spieler, Emil Forsberg. Er steckt die Bälle durch, hat gute Bewegungen und einen guten Distanzschuss», sagte Kimmich.
Bei den Bayern würde Arjen Robben nach seinem Kurz-Comeback gegen Hannover zu gerne noch einmal ein entscheidender Titel-Faktor sein. «Vielleicht kann ich den Unterschied machen, mit einem Tor, einer Vorlage, irgendetwas. Dafür bin ich noch mal da», sagte der Niederländer. Beim knappen 1:0 im Hinspiel gegen Leipzig war übrigens Kollege Ribéry als Torschütze der gefeierte Mann des Abends.
In den vorletzten Spieltag der Hinrunde gingen die Bayern damals mit neun Punkten Rückstand auf Dortmund. «Die Mannschaft musste zusammen den Karren aus dem Dreck ziehen», erinnerte Kovac an die Aufholjagd in der Rückrunde. Jetzt stehen Team und Trainer unmittelbar vor der Meisterkrönung. «Es kann ein gutes Ende nehmen», sagte Kovac vor dem Endspurt in einer turbulenten Münchner «Rauf-und-runter»-Saison.
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(dpa)