München – Joachim Löw muss in diesen Tagen viele Gespräche führen.
In einer Woche, drei Tage vor Ende der Fußball-Bundesliga, will der Bundestrainer in der Frankfurter DFB-Zentrale gemeinsam mit Juniorencoach Stefan Kuntz das Personaltableau für den Confederations Cup und die zeitgleich stattfindende U21-Europameisterschaft präsentieren. Das erfordert im Vorfeld vielfältige Absprachen und Abmachungen mit Spielern, Clubs und Vereinstrainern. «Das ist auch wichtig, dass man eine grundsätzliche Abstimmung findet, dass alle informiert sind über meine Pläne», sagte der Bundestrainer.
Zwei Leitmotive bestimmen Löws Handeln: «Über allem steht die WM 2018. Den WM-Titel zu gewinnen, das ist mein und unser aller Ziel.» Darum hat er entschieden, dass neben verletzten Topspielern wie Manuel Neuer und Ilkay Gündogan oder dem erkrankten Mario Götze fix für die Titelverteidigung eingeplante Weltmeister wie Boateng, Hummels, Kroos, Müller, Özil, Khedira oder Höwedes den Confed Cup in Russland nicht spielen werden. Die Leistungsträger sollen richtig Urlaub machen und danach ausgeruht und top vorbereitet in die strapaziöse WM-Saison gehen. «Die Erfahrenen brauchen die Erfahrung Confed Cup nicht mehr», sagte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff.
Löw will beim sportlich fragwürdigen Confed Cup vom 17. Juni bis 2. Juli in den Spielorten Kasan, Moskau, Sankt Petersburg und Sotschi mit einem Perspektivteam antreten. Junge Spieler vor, lautet das Motto. Zum Problem wird dabei, dass zeitgleich vom 16. bis 30. Juni die U21-EM stattfindet. Und in Polen will der DFB auch ein Team aufbieten, das um den Titel mitspielen kann. «Wir wollen in jedem Bereich ein gutes Turnier spielen, klar», sagte Löw zum Spagat, den es zu lösen gilt: Fast 50 Spieler werden für die Teams benötigt.
Einige Akteure mit Turniererfahrung wie Torjäger Mario Gomez, die Weltmeister Shkodran Mustafi und Julian Draxler oder Kölns Jonas Hector plant Löw als Führungskräfte ein. «Ich glaube, es gibt keinen Spieler, der gesagt hat, nein, nein, ich nicht», sagte der 31-jährige Gomez zur nicht unbedingt begehrten Confed-Cup-Einladung.
Löw würde auch Marco Reus gerne mitnehmen, weil der Dortmunder bei der WM 2014 und der EM 2016 verletzt fehlte. Reus könnte in Russland Führungsqualitäten beweisen und Turniererfahrung sammeln. Problem: Sowohl BVB-Trainer Thomas Tuchel als auch Reus selbst plädierten zuletzt für einen Verzicht. Er werde im Gespräch mit Löw abwägen, «was für mich das Beste ist», kündigte Reus an. Der Offensivspieler erinnerte daran, dass er in den vergangenen zwei Jahren jeweils keinen Urlaub gehabt habe: «Ich war immer mit Reha beschäftigt.»
Tuchel sagte, dass es «angesichts der Verletzungshistorie von Marco» gute Gründe gebe, dem Angreifer die Zusatzbelastung im Sommer zu ersparen. Bierhoff konterte am Wochenende, dass er Tuchel diesen Wunsch nicht erfüllen würde. Löw muss den Promi-Fall auflösen.
Dem formstarken Bremer Max Kruse winkt angesichts der personellen Engpässe ein erstaunliches Comeback im Nationalteam, das in Russland in den Gruppenspielen auf Australien, Chile und Kamerun trifft. Löws Glück, aber zugleich auch Problem lautet: Gleich 15 Talente, die er schon im A-Team eingesetzt hat, sind vom Alter auch spielberechtigt bei der U21-EM. Darunter befinden sich Youngster wie der 21 Jahre alte Leipziger Stürmer Timo Werner, der seine Präferenz gerade kundtan: «Der Confed Cup ist das nächste Ziel, was ich habe.»
Bei der Verteilung der Talente auf die zwei DFB-Aufgebote muss Löw als Chef zusammen mit U21-Coach Kuntz sowie Sportdirektor Horst Hrubesch immer auch abwägen, welcher Spieler bei welchem Turnier besser aufgehoben ist. Ist es sinnvoller, dass Akteure wie der Schalker Leon Goretzka oder der künftige Bayern-Profi Niklas Süle eine Führungsrolle bei der U21-EM spielen? Oder sollen sich junge Akteure mit WM-Perspektive wie Werner, Leroy Sané, Julian Brandt oder Serge Gnabry lieber beim Confed-Cup in Spielen wie gegen Südamerikameister Chile mit Bayern-Star Arturo Vidal beweisen?
U21-Coach Kuntz wird sich Löws Vorstellungen fügen müssen. Er sagte aber auch: «Wenn man eine Mannschaft in ein Turnier schickt, ist es schon gut, wenn man eine gewisse Achse oder ein Gerüst hat.» Die Nominierung eines Talentes für die Junioren-EM muss auch nicht zum Nachteil für die WM-Chancen des Spielers sein. Weltmeister wie Neuer, Boateng oder Khedira wurden 2009 auch zunächst U21-Europameister.
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(dpa)