Rio de Janeiro (dpa) – Auf Angelique Kerber ruhen die größten Hoffnungen des deutschen Tennis-Teams für die Olympischen Spiele in Rio.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht die Wimbledon-Finalistin und Australian-Open-Siegerin über ihre Ambitionen, ein «Gänsehaut-Gefühl» und ihr Wunsch-Szenario. «Mein Ziel ist es, eine Medaille zu holen», sagt die 28 Jahre alte Nummer zwei der Tennis-Welt selbstbewusst.
Sie hatten vor wenigen Tagen noch Verletzungssorgen. Wie geht es Ihrem Ellbogen?
Angelique
Kerber
: Der Ellbogen ist besser auf jeden Fall. Jetzt bin ich seit ein paar Tagen wieder schmerzfrei, zum Glück. Ich weiß nicht genau, was es war, weil ich noch nie Ellbogenprobleme hatte. Aber ich glaube, es war eine Überbelastung. Es war auf jeden Fall eine Entzündung drin.
Sie waren vor vier Jahren in London bereits bei den Sommerspielen dabei. Wie würden Sie das Olympia-Gefühl beschreiben, was macht für Sie das Besondere aus?
Kerber
: Ich kann mich noch gut an die Eröffnungsfeier erinnern. Es war für mich etwas ganz Besonderes, mit den ganzen anderen Athleten in das Stadion einzulaufen. Das war für mich ein Gänsehaut-Gefühl, das werde ich nie vergessen. Mit Athleten aus der ganzen Welt im Dorf zusammen zu sein und sich mit ihnen auszutauschen – das ist interessant und eine Abwechslung zu dem Alltag, den wir als Tennisspieler haben. Jede Woche sind wir auf uns allein gestellt, jede Woche das Gleiche. Deswegen ist das Olympia-Gefühl für mich schon etwas ganz Besonderes.
Wimbledon, Bastad, Montreal, jetzt Rio – bedeutet für Sie Olympia reine Freude oder ist das auch Stress im ohnehin vollen Terminkalender?
Kerber
: Natürlich ist der Terminkalender in diesem Jahr durch Olympia viel enger und natürlich merkt man, dass man nicht so viele Wochen dazwischen frei hat – so wie im letzten Jahr und im nächsten Jahr. Aber ich freue mich. Für mich ist es eine Ehre, in Rio dabei sein zu können. Mit dem Fliegen hin und her ist es schon ein bisschen stressig. Aber Olympia gibt es nur alle vier Jahre.
Welchen Stellenwert hat Olympia für Sie im Vergleich zu Wimbledon?
Kerber
: Das ist schwer zu sagen. Für eine Tennisspielerin sind die Grand Slams die Höhepunkte. Das ist das, wovon ich als Kind immer geträumt habe. Aber Olympia ist auch etwas, was ich nicht verpassen möchte. Man kennt es von anderen Sportarten, dass sich jeder darauf vorbereitet. Eine Olympia-Medaille ist auch etwas ganz Besonderes. Aber so richtig miteinander vergleichen kann ich es nicht.
Welches Ziel haben Sie sich für Rio gesteckt?
Kerber
: Mein Ziel ist es, eine Medaille zu holen. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Man muss von der ersten Runde bis zur letzten Runde sein bestes Tennis spielen. Ich versuche, mich nicht unter Druck zu setzen. Ich bin schon öfter gescheitert, wenn ich das gemacht habe. Ich versuche, das Olympia-Feeling zu bekommen und mich dann voll auf mein Tennis zu konzentrieren.
Würden Sie sich wünschen, dass die Spiele in Rio so enden wie die Australian Open und Wimbledon – mit einem Finale Angelique Kerber gegen Serena Williams?
Kerber
: Das wäre auf jeden Fall schön. Wenn ich mir das aussuchen würde, würde ich direkt zustimmen, dass das so passiert. Das wäre schon was Mega-Schönes. Sollte das wirklich passieren, ist alles richtig gelaufen. Aber sie muss bis ins Finale kommen, und ich muss dahin kommen und es sind ja noch viele andere Spielerinnen da, die alles geben werden.
Wäre es für Sie eine Enttäuschung, keine Olympia-Medaille zu holen?
Kerber
: Ich würde es nicht als eine Enttäuschung ansehen. Klar werde ich alles dafür geben, eine Medaille zu schaffen. Wenn ich es aber am Ende nicht schaffe, wird es auch kein Drama sein. Ich weiß dann, dass ich alles dafür gegeben habe. Aber im Moment möchte ich nicht darüber nachdenken, dass es nicht reicht.
Wie schmal ist der Grat, sich auf seine Ziele zu konzentrieren und trotzdem Olympia zu genießen?
Kerber
: Das ist nicht so einfach. Aber für mich sind es die zweiten Olympischen Spiele, das ist ein kleiner Vorteil. Die Spiele in London habe ich genossen. Und ich habe dort den Grat gut hinbekommen, ich habe Viertelfinale gespielt und habe mich echt wohlgefühlt mit dem ganzen Drumherum.
Gibt es Sportler aus anderen Disziplinen, die Sie sich gern anschauen würden?
Kerber
: Es gibt Sportarten, die ich mir sehr gern anschauen würde. Beachvolleyball, Schwimmen, Leichtathletik, Hockey. Aber man muss gucken, wie es mit der Zeit hinkommt. Wenn ich könnte, würde ich mir den ganzen Tag Sportarten anschauen. Es ist interessant, die Athleten besser kennenzulernen und dann live dabei zu sein.
In diesem Jahr konnte aus fünf möglichen Fahnenträgern gewählt werden. Haben Sie gehofft, zu den Kandidaten zu zählen?
Kerber
: Ehrlich gesagt habe ich das schon gehofft. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn ich das hätte machen dürfen. Jetzt denke ich nicht mehr darüber nach, jetzt kann man nichts mehr ändern. Ich gönne das natürlich auch den anderen.
ZUR PERSON: Angelique Kerber ist als Weltranglisten-Zweite derzeit Deutschlands beste Tennisspielerin. In diesem Jahr erlebt die 28-Jährige die bisher größten Erfolge ihrer Karriere. Bei den Australian Open in Melbourne feierte die Kielerin Ende Januar als erste deutsche Tennisspielerin seit Steffi Graf 1999 einen Sieg bei einem der vier wichtigsten Turniere. In Wimbledon erreichte sie das Endspiel. Ihre Olympia-Premiere gab sie 2012 in London, wo sie das Viertelfinale erreichte.
Fotocredits: Andre Pichette