Madrid – Jürgen Klopp war schon einen Tag vor dem Champions-League-Endspiel in Hochform. Ein Witz hier, eine schlagfertige Antwort da: Der deutsche Trainer des FC Liverpool begegnete der großen Anspannung vor dem Finale gegen Tottenham Hotspur auf seine Art.
Dabei geht es am Samstag (21.00 Uhr/Sky und DAZN) im Stadion Wanda Metropolitano in Madrid um die vermeintliche Krönung einer außergewöhnlichen Karriere. Denn dieser Abend soll Klopp und seinem bislang noch unvollendeten Hochgeschwindigkeits-Team endlich den langersehnten großen Titel bescheren.
Nach dem verlorenen Endspiel vor einem Jahr, dem zweiten Platz in der englischen Meisterschaft und der für Klopp persönlich noch hinzukommenden Final-Niederlage mit Borussia Dortmund 2013 sagt nicht nur sein früherer Manager Christian Heidel: «Ich glaube einfach, jetzt ist er mal dran.» Im dritten Anlauf will Klopp zum ersten Mal den wichtigsten Pokal des europäischen Vereinsfußballs gewinnen.
Der 51-Jährige selbst findet gewohnt große Worte für dieses Spiel. «Ich habe noch nie mit einem besseren Team in einem Finale gestanden», sagte er vor dem Abflug nach Madrid. «Niemand glaubt mehr an dieses Team als dieses Team selbst.» Bei der Pressekonferenz am Freitag wurde er erneut mit den mittlerweile sechs Endspielen konfrontiert, die er mit Liverpool und Dortmund nacheinander in diversen Wettbewerben verlor. Der Konter darauf war ein typischer Klopp: «Seit 2012 war ich fast jedes Jahr mit meinen Teams in einem Finale. Vielleicht bin sogar ich Weltrekord-Halter im Gewinnen von Halbfinals», sagte er. Doch das allein reicht auch ihm nicht mehr aus. «Wir wollen den Pokal gewinnen, deshalb sind wir hier.»
Anders als vor einem Jahr gegen Real Madrid (1:3), spricht diesmal tatsächlich viel für Liverpool. Die «Reds» haben schon zweimal in der Premier League mit 2:1 gegen Tottenham gewonnen, sie haben in Virgil van Dijk oder Mohamed Salah die vermeintlich besseren Spieler, und sie haben auf dem Weg in dieses Finale mit Paris Saint-Germain, Bayern München und dem FC Barcelona die noch größeren Namen ausgeschaltet.
Das Problem ist nur, dass sich der Endspiel-Gegner Tottenham schon die gesamte Champions-League-Saison über nicht um solche Vergleiche und vermeintlichen Kräfteverhältnisse schert. Die «Spurs» standen schon vor ihren beiden letzten Vorrunden-Spielen gegen Inter Mailand und dem FC Barcelona kurz vor dem Aus, sie warfen danach Borussia Dortmund und den englischen Meister Manchester City aus dem Wettbewerb und machten in einem spektakulären Halbfinal-Rückspiel bei Ajax Amsterdam aus einem 0:2-Rückstand noch einen 3:2-Sieg.
«Ich habe keine Angst vor dem FC Liverpool oder irgendeiner anderen Mannschaft auf der Welt. Sie haben auch nur elf Spieler auf dem Feld», sagte Tottenhams französischer Nationalspieler Moussa Sissoko. «Wegen dieses Glaubens sind wir hier. Wir wissen, dass wir jeden Gegner schlagen können.» Gerade rechtzeitig zu diesem Finale ist mit Englands Nationalmannschafts-Kapitän Harry Kane auch der Stürmerstar der «Spurs» nach einer Knöchelverletzung wieder fit geworden.
Tottenham gegen Liverpool – dieses Endspiel hat in vielerlei Hinsicht auch eine Symbolkraft. Es beendet ausgerechnet in einem Stadion in Madrid die große Dominanz der spanischen Clubs, die die Champions League in den vergangenen fünf Jahren fünf Mal gewonnen haben.
Außerdem haben die beiden Trainer Jürgen Klopp und Mauricio Pochettino den Beweis erbracht, dass das viele Geld in England nicht planlos verprasst wird und dass sich auch staatlich gelenkte Scheichclubs wie Paris und Man City die begehrteste Trophäe des europäischen Fußballs nicht einfach so erkaufen können. Tottenham und Liverpool stehen bei allen Transferausgaben des LFC immer noch für ein klares Konzept und jahrelange Aufbauarbeit.
Gerade deshalb dreht sich bei diesem Finale auch vieles nur um eine Person: um Jürgen Klopp. «Seit er zum FC Liverpool kam, hat er den Club komplett verändert. Wir wollen dieses Finale gewinnen, um auch ihm etwas zurückzugeben», sagte der Abwehrspieler Andrew Robertson am Freitag. «Es wäre schön, ihn mit dem Pokal in der Hand zu sehen.»
Jeder Spieler der «Reds» hat die beiden verlorenen Endspiele in der Champions League (2018) und in der Europa League (2016) noch im Kopf. Jeder Spieler weiß aber auch um die große Fähigkeit seines Trainers, Enttäuschungen in Motivation umzuwandeln. «Das Endspiel 2018 war ein Startpunkt für unsere nächsten Schritte», sagte Klopp. «Letztes Jahr waren wir von uns selbst überrascht, dass wir auf einmal im Finale standen. Aber wir waren längst nicht so konstant wie in diesem Jahr.»
Fotocredits: Stuart Franklin
(dpa)