Innsbruck – Andreas Wellinger verbindet Skispringen stark mit Freiheit und Lockerheit. Im vergangenen Jahr absolvierte er kaum einen Sprung, bei dem er im Anschluss nicht mit seinem bayerischen Zungenschlag betonte, wie «geil» er es fand und wie viel «Bock» er auf den nächsten Wettkampf habe.
Der 22-Jährige sprang aus dem Schatten des verletzten Olympiasiegers Severin Freund und holte 16 Einzel-Podestplätze im vergangenen Jahr. «Sein Zugang zum Sport ist noch mal professioneller geworden, er hat Motivation aus der vergangenen Saison geschöpft», lobte Bundestrainer Werner Schuster seinen Schützling schon vor dem Winter.
Nun scheint der Höhenflug von Mixed-Weltmeister Wellinger, der in diesem Sommer vom beschaulichen Chiemgau nach München umzog, zunächst gestoppt. Nach den Plätzen zehn und elf in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen spielt Wellinger keine Rolle mehr im Kampf um den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. «Natürlich wäre ich gerne da, wo ich die letzten Wochen war. Aber dadurch, dass der elfte Platz jetzt der schlechteste in diesem Winter war, stufe ich die Gesamtsituation ganz gut ein», sagte Wellinger nach dem Neujahrsspringen, bei dem ihm wieder nur einer von zwei Sprüngen gut gelungen war.
Dabei war der Ruhpoldinger stark in den Winter gestartet, schaffte es in Kuusamo auf das Podest und gewann eine Woche danach sogar im russischen Nischni Tagil. «Ich will die einzelnen Sprünge runterbringen, das ist jetzt mein Ziel für die nächste Tage», sagte Wellinger mit Blick auf die kommenden Wettkämpfe in Innsbruck am Donnerstag und am Samstag in Bischofshofen. Der Shooting-Star der DSV-Adler weiß: Die rund 45 Punkte, die er bereits auf den polnischen Doppelsieger Kamil Stoch verloren hat, sind nicht mehr aufzuholen.
Wellinger braucht derzeit deutlich länger als Teamkollege Richard Freitag, sich auf neue Schanzen einzustellen. Im Wettkampf mangelt es dem dreimaligen WM-Medaillengewinner von Lahti Beständigkeit und zwei Sprüngen auf Weltklasseniveau. «Es fehlen insgesamt einfach ein paar Meter. Es sind sehr, sehr kleine Schritte, die ich mache, aber es geht langsam wieder in die richtige Richtung», sagte Wellinger in Garmisch.
Der Fliegertyp, der an der Fachhochschule in Ismaning BWL studiert, hat mit der Skiflug-WM in Oberstdorf, den Olympischen Spielen in Pyeongchang und der RAW-Air-Tour in Skandinavien noch mehr Ziele in diesem Winter. «Ich will von Anfang bis Ende auf hohem Niveau springen. Das muss hoch angesetzt sein und dann kommen sicher auch die Erfolge», kündigte Wellinger zum Saisonstart an. Der Auftakt war vielversprechend, in Nischni Tagil feierten Wellinger und Freitag den ersten deutschen Skisprung-Doppelerfolg seit knapp 16 Jahren.
Coach Schuster, der in Wellinger einen gereiften Athleten mit wahnsinnig viel Potenzial sieht, stärkt weiter seinem Schützling den Rücken. «Ich glaube, er kommt wieder. Er macht momentan so etwas durch, was viele in einer Saison mal durchmachen», sagte der Österreicher. Die Sprünge des Siegers von drei Weltcup-Wettkämpfen seien «leicht fehlerbehaftet», stellte er fest.
Schuster glaubt an seine Stabilisierung und hofft, dass sich die Konstanz bei Wellinger nach etwas durchwachsenen Wochen nun wieder einstellt. «Das Ziel muss mal sein, in Innsbruck besser zu starten.» Dann kann der Weltmeister von Lahti schnell wieder ein Podestkandidat sein. Im Weltcup-Gesamtklassement ist er hinter Freitag und Stoch noch immer Dritter.
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(dpa)