Mönchengladbach – Fragen speziell zu Kai Havertz scheinen Peter Bosz körperliche Qualen zu bereiten. Auf sein größtes fußballerisches Juwel angesprochen, verzieht der Trainer von Bayer Leverkusen dann fast immer das Gesicht.
Aus den Mundwinkeln presst er sich Aussagen heraus, die nicht so recht zu den Auftritten des vielleicht größten deutschen Talents passen wollen. «Ein bisschen besser als gegen Bremen», sei Havertz‘ Auftritt bei Borussia Mönchengladbach gewesen, knurrte Bosz nach dem 3:1 (1:0) im Bundesliga-Topspiel.
Dabei ist Havertz passend zum Saison-Endspurt in Top-Form. Besser gesagt: Havertz hat sie konserviert. Denn bereits vor der Corona-Pause zeigte die Formkurve des 20-Jährigen nach überschaubarer Hinserie deutlich nach oben. Acht seiner zehn Saisontore schoss Havertz in der Rückserie, allein in den vergangenen fünf Partien traf er fünfmal. Besonders dominant ist sein Auftreten für den Werksclub in der sterilen Geisterspiel-Atmosphäre seit dem Bundesliga-Neustart.
Mit je zwei Doppelpacks zum 4:1 in Bremen und zum beeindruckenden Sieg am Samstag gegen ein ungleich stärkeres Team war Havertz jeweils Matchwinner und hievte sein Team in die Champions-League-Ränge. «Das war ein echtes Topspiel. Wir haben verdient gewonnen. Wir hatten seit der ersten Minute das Spiel im Griff», sagte Havertz zutreffend, aber zurückhaltend, speziell zu seiner Leistung gefragt.
Der 20-Jährige profitiert auch davon, durch die Verletzung von Kevin Volland derzeit im Angriff aufzulaufen. Erstmals überhaupt traf Havertz an zwei Spieltagen nacheinander doppelt. Wahrscheinlich folgt nach der Saison der nächste Schritt für das Riesen-Talent – unabhängig davon, ob es Leverkusen wieder in die Champions League schafft oder nicht. «Klar ist, dass im Moment viel spekuliert wird. Ist ja auch ganz normal», sagte Havertz zu den Wechsel-Gerüchten.
Als mögliche Abnehmer gelten der FC Bayern, der FC Barcelona oder der FC Liverpool. «Die Spiele für Leverkusen stehen jetzt für mich im Vordergrund und ich versuche, mich darauf zu konzentrieren. Am Ende der Saison werden wir dann eine Lösung finden», sagte Havertz, für den eine Ablöse von knapp 100 Millionen Euro im Raum steht.
Zurückhaltend äußert sich nicht nur Havertz, sondern auch Bosz, der es nicht mag, einzelne Spieler hervorzuheben, auch wenn sie noch so gut sein mögen. «Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine Klasse-Mannschaftsleistung heute war. Kai war einer davon, das war top. Da waren aber 13 andere, die so gut gespielt haben wie Kai», befand Bosz streng.
Möglicherweise hält auch das Havertz bescheiden. «Wir haben noch viele Spiele vor uns, in denen wir noch viele Punkte sammeln müssen», meinte Havertz zu einer erneuten Champions-League-Teilnahme. Wie schon im Vorjahr könnte Bayer Gladbach dabei noch abfangen. Durch den wichtigen Sieg im direkten Duell ist die seit zwölf Pflichtspielen unbesiegte Werkself zunächst wieder an Gladbach vorbeigezogen.
Im Saison-Endspurt wirkt Leverkusen etwas konstanter. Die Formkurven beider Teams verlaufen dabei aber lange nicht so entgegengesetzt wie in der Rückrunde der vergangenen Saison. Bayer muss sich diesmal deutlich mehr strecken. «Gladbach hat uns heute alles abverlangt und gezeigt, dass sie zurecht so weit oben in der Tabelle stehen», sagte Sven Bender, Torschütze zum 3:1-Endstand, anerkennend.
Dass Bayer aktuell wieder vor Borussia steht, hat zum einen mit Havertz als Unterschieds-Spieler zu tun. Zum anderen aber auch mit den ungleichen Möglichkeiten beider Clubs. Die Gladbacher ließen ihr Team im Winter personell unverändert. Die Tochter des Bayer-Konzerns legte mal eben noch rund 35 Millionen Euro für Exequiel Palacios (River Plate) und Edmond Tapsoba (Guimaraes) nach. Zumindest an Innenverteidiger Tapsoba prallten am Samstag etliche Angriffsversuche Borussias ab. Und in der Offensive fehlt bei aller Wucht von Marcus Thuram, Alassane Plea und Breel Embolo eben eine dominierende Figur wie Havertz, über den nahezu jede gefährliche Aktion Bayers läuft.
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(dpa)