Rio de Janeiro (dpa) – Max Hartung und Peter Joppich machen sich schon vor dem Gang auf die olympischen Planchen Gedanken um die Zukunft des deutschen Fechtens. Denn die Gegenwart in der einstigen deutschen Vorzeigesportart ist alles andere als beglückend.
In Rio de Janeiro ist lediglich ein Quartett aus Deutschland am Start – außer Säbel-Ass Hartung und Florett-Star Joppich noch Hartungs Waffenkollege Matyas Szabo und, als einzige Frau, Carolin Golubytskyi, die wie Joppich mit dem Florett ficht.
«Klein, aber fein» – so bezeichnet Dieter Lammer als Präsident des Deutschen Fechter-Bundes dieses Team, das kleinste deutsche bei Sommerspielen seit 60 Jahren. «Es gibt keinen besonderen Druck. Wir sind zuversichtlich, aber ohne Euphorie» – Lammers Aussage verwundert nicht. Denn die großen internationalen Meriten aus den Zeiten eines Emil Beck sind längst passé. In den Teamevents von Rio ist Deutschland überhaupt nicht vertreten
Aktivensprecher Hartung, Mannschafts-Weltmeister von 2014, sagt es offen: «Das Hauptamt muss gestärkt werden. Es muss sich ändern, dass das Ehrenamt so viel im operativen Bereich leistet.» Das sei bei den immer komplexeren und schwierigeren Aufgaben, die nötig seien, um Leistungssport auf Weltniveau betreiben zu können, «ehrenamtlich nicht möglich». In anderen Ländern wie etwa Russland, Italien oder auch Südkorea sei Fechten «unheimlich professionell ausgerichtet».
Auch der viermalige Einzelweltmeister Joppich plädiert für eine umfassendere Professionalisierung im deutschen Verband: «Das wäre für unseren Sport förderlich und hilfreich.» Wie das gehen könnte, weiß indes so recht keiner. Joppich: «Man schaut erstmal auf sich und auf die Spiele. Danach wird sicher darüber nachgedacht, wo man sich verbessern kann.»
Das gilt zunächst einmal auch für die ehrenamtliche Führung. Der Wechsel vom langjährigen Präsidenten Gordon Rapp zu Lothar Blase war ein Flop: Blase, im Dezember 2014 gewählt, trat im Januar 2016 zurück. Bereits im November 2015 war Luitwin Ress als Vizepräsident Leistungssport zurückgetreten. Lammer übernahm und tut sein Möglichstes, um den Verband intern zu beruhigen.
Strukturell gibt es viel zu tun. Hartung: «Wir müssen Bedingungen schaffen, dass es sich lohnt. Geld spielt dabei sicher eine Rolle. Ich glaube aber nicht, dass es immer die entscheidende ist.» Junge Fechter bekämen es auch mit, wenn das Vorbild sich ständig um seine finanzielle Situation sorge, «wenn es jedes Jahr schauen muss, wie es seine Miete zusammenkriegt. Ein guter Sportler sollte auch gut verdienen. In Deutschland wird man kein Millionär mit seinem Sport. Ich mache irgendwas so gut, und am Ende kommt so wenig dabei rum.»
Tauschen mit Russen, Südkoreanern oder Italienern möchte Hartung trotzdem nicht, obwohl es stimme, dass Fechter aus diesen Ländern deutlich mehr mit ihrem Sport verdienen. Hartung: «In anderen Ländern werden die Fechter verpflichtet, 300 Tage im Jahr irgendwo in der Pampa ihre Zeit zu fristen. Die Antwort ist nicht, wir müssen da so viel Geld reinpumpen, damit wir auf ein Gehaltsniveau kommen, das mit anderen Ländern vergleichbar ist.»
Er möge seine Freiheit, die er als deutscher Athlet habe. «Und die ich auch nicht aufgeben will für mehr Geld. Aber daran muss noch besser gearbeitet werden bei uns.» Trotz allem betont Hartung eines intensiv: «Es ist eine tolle Profession, die ich habe. Ein riesen Privileg und ein Glücksfall.»
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