München – Von einer Touristentour an den Bosporus mochten die Bayern-Stars nach der 5:0-Demonstration gegen Besiktas Istanbul nichts wissen.
Für den 99,99-Prozent-Viertelfinalisten in der Champions League steht in den kommenden Wochen jedoch eine weitaus kniffligere Herausforderung als das Rückspiel am 14. März in der Türkei an. Das Betriebsklima beim deutschen Fußball-Rekordmeister wird nicht zuletzt durch den Verzicht auf die Triple-Flügelzange Arjen Robben/Franck Ribéry im Achtelfinal-Hinspiel auf eine harte Belastungsprobe gestellt.
«Ich mache das, was ich für richtig finde. Das hat auch jeder zu akzeptieren. Punkt!», erklärte ein rigoroser Jupp Heynckes in der Nacht zum Mittwoch. «Wer beim FC Bayern einen Vertrag unterschreibt, der muss damit rechnen, dass er hier und da mal nicht von Anfang an spielt.» Die im Kreise von Europas Besten fortgesetzte Dominanz à la Bundesliga gibt dem Bayern-Coach Recht.
Der 72-Jährige hat die schwierige Aufgabe, bei allen Siegen die Härtefälle im Luxusensemble zu moderieren. Für Eitelkeiten und Egoismen lässt Heynckes keinen Raum. «Ich muss das Ganze managen, ich bin für alle Spieler verantwortlich», betonte Heynckes in seiner Basta-Ansage. Dabei nimmt er auch auf große Namen keine Rücksicht. Auch nicht auf die Jahrzehnt-Spieler Ribéry und Robben, die beide auf eine Weiterbeschäftigung für die kommende Saison hoffen.
Ribéry war von seiner Jokerrolle nicht begeistert. Der für den angeschlagenen James Rodríguez eingewechselte Robben zwang sich zur Zurückhaltung. «Wenn ich jetzt meine Emotionen ausspreche, dann bin ich morgen bei Brazzo oder bei Herrn Rummenigge. Und dann weiß ich nicht, was es dann gibt», sagte der Holländer. «Das sind die großen Spiele, dafür bist du da. Wenn du da nicht spielst, ist das schon eine schmerzhafte Geschichte.» Für die Enttäuschung der Stars hat der frühere Weltklassestürmer Heynckes durchaus Verständnis und nahm Nachfragen zu der Dauerthematik schmunzelnd entgegen.
Statt der 34 Jahre alten Titelhelden Rib & Rob bot Heynckes auf den Flügel den 21-jährigen Kingsley Coman und den wiedererstarkten Thomas Müller (28) auf. Müller, Coman, Müller lauteten die ersten drei Torschützen. Noch Fragen? «Wenn man sieht, was Thomas und King auf den Außenpositionen für Spiele gemacht haben, ist das anscheinend eine sehr gute Entscheidung vom Trainer gewesen», urteilte Mats Hummels. Der Weltmeister ist nicht um den Teamgeist besorgt. «Das kriegen wir schon hin. Ich glaube, dass wir allgemein eine gute Atmosphäre haben», sagte Hummels. 23 Siege in 24 Spielen seit Heynckes‘ Rückkehr auf die Trainerbank sprechen für sich.
Die Flügelstars Robben und Ribéry stehen nur exemplarisch für aktuellen und auch zukünftigen Bankfrust. Für Thiago, Sebastian Rudy und Juan Bernat war am Dienstag sogar nur Platz auf der Tribüne. «Die Situation ist extrem, dass alle Feldspieler fit sind. Das ist für den Trainer und die ganze Mannschaft nicht so einfach, damit umzugehen», sagte Müller. Der Kapitän traf wie Robert Lewandowski doppelt und dokumentierte am Anfang des WM-Jahres wieder sein Ausnahmekönnen.
«Unverwechselbar. Das ist eben Müller – er kann’s», lobte Heynckes. Der Trainer selbst stellte mit zehn Champions-League-Siegen am Stück die Rekordserien von Louis van Gaal und Carlo Ancelotti ein.
Überschwänglich feiern mochten sich die Bayern nicht, denn die frühe Rote Karte für Domagoj Vida hatte entscheidenden Einfluss. Von einer Mitfavoritenrolle auf den Finalsieg am 26. Mai in Kiew wollte keiner sprechen. «Wenn wir so eine erste Halbzeit gegen einen anderen Gegner spielen, dann liegen wir schnell 0:2, 0:3 zurück», sagte vielmehr Abwehrspieler Jérôme Boateng.
Vom Triple zu reden sei «Schwachsinn», wiegelte Präsident Uli Hoeneß kategorisch ab. «Wir haben jetzt eine gute Ausgangsposition für das Viertelfinale, dann sehen wir weiter», erklärte der Clubboss.
Bis zu diesen K.o.-Spielen nach Ostern sind die Bayern angesichts ihres Mega-Vorsprungs in der Bundesliga und nach dem «Kantersieg» (Heynckes) gegen Istanbul nicht sehr gefordert. «Der Trainer händelt das ganz gut bisher und wird uns auch weiter in den Arsch treten, wenn er irgendwelche Spannungsabfälle erkennt», verkündete Müller.
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(dpa)