Rio de Janeiro – Der Schweiger hatte Gesprächsbedarf. Nach der bittersten Niederlage seiner Bundestrainer-Zeit versammelte Dagur Sigurdsson seine traurigen Handballer in der Kabine, um sie zu trösten, aufzurichten und ihnen für das olympische Bronze-Endspiel Mut zuzusprechen.
«Es ist doch normal, dass wir nach so einer Niederlage auch ein paar Worte wechseln», sagte der als wortkarg bekannte Isländer. Der Knockout in der vorletzten Sekunde des Halbfinals zum 28:29 (13:16) gegen Weltmeister und Olympiasieger Frankreich hatte die Europameister am Freitag in Rio de Janeiro am Boden zerstört.
«Schwach angefangen, stark aufgeholt, leider nicht belohnt», fasste Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB), die unglücklich vergebene Chance auf das erste Finale bei Olympischen Spielen seit 2004 zusammen. Doch der Verbandschef blickte optimistisch nach vorn. «Ich hoffe es für die Mannschaft, dass sie sich mit der Bronzemedaille belohnt. Sie hat es verdient nach einer grandiosen EM und einer großen Steigerung bei diesem Turnier», meinte Michelmann.
Nur gut 40 Stunden blieben den EM-Helden, um die schmerzliche Enttäuschung zu verarbeiten und am Sonntag gegen Polen die Bronzemedaille ins Visier zu nehmen. «Enttäuschend ja, es hilft aber nicht zu jammern und daraus ein Drama zu machen. Man muss es einfach abhaken», sagte Sigurdsson, «unser Leben geht weiter, und das ist keine Endstation.» Schon in der Vorrunde hatte die DHB-Auswahl in einem verbissenen Spiel die Polen mit 32:29 bezwungen. Rückschlüsse daraus wollte er aber nicht zulassen: «Man hat bei der EM gesehen, wenn eine Mannschaft erneut auf ein Team trifft, ist es immer eine andere Situation.»
Nur langsam gewannen die Spieler ihre Fassung wieder. «Wir haben gesehen heute, wie brutal Sport sein kann. Die Mannschaft hatte zum Teil Tränen in den Augen», berichtete Delegationsleiter Bob Hanning. «Jetzt brauchen wir noch ein bisschen, um das aus dem Kopf rauszukriegen. Aber später sieht das dann ein bissl anders aus», sprach sich Rechtsaußen Tobias Reichmann zunächst Mut zu. Schon wenig später zeigte er sich wieder angriffslustig: «Wir wissen, dass wir ein Spiel um die Medaille haben. Spätestens wenn der Anpfiff ist, gibt man dann wieder alles.»
Darin war er sich mit Paul Drux einig. «Wir müssen alle das Spiel schnell abhaken, weil Bronze immer noch ein großer Erfolg ist. Es sollten jetzt alle den Kopf frei bekommen», forderte der bislang forsch aufspielende Berliner, der ausgerechnet gegen Frankreichs Abwehrbollwerk nicht die gewohnte Durchschlagskraft aufbrachte. Dennoch ist Dagur Sigurdsson nicht bange vor dem kleinen olympischen Finale. «Ich habe immer gesagt, wir sind Niederlagen positiv angegangen. Wir haben uns dann immer zurückgekämpft», betonte er und fügte an: «Alle wollen auf das Podium.»
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(dpa)