Rio de Janeiro – Die erste Olympia-Medaille seit 2004 ist nah: Handball-Europameister Deutschland ist mit einer titelreifen Leistung ins Halbfinale von Rio de Janeiro gestürmt. Dank einer Abwehr wie aus einem Guss demütigte das Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson den WM-Zweiten Katar mit 34:22 (16:12).
Gegner im Halbfinale am Freitag ist Olympiasieger und Weltmeister Frankreich, der zuvor Gastgeber Brasilien mit 34:27 (16:16) ausgeschaltet hatte. Erfolgreichste deutscher Torschützen waren Kapitän Uwe Gensheimer (St. Germain), Tobias Reichmann (Kielce) und Fabian Wiede (Füchse Berlin) mit jeweils fünf Treffern.
Nicht nur Kampf und Leidenschaft, auch Spielkunst bot der Olympia-Zweite von 2004 gegen die Weltauswahl Katars mit vielen eingebürgerten Handballstars, darunter fünf Europäern. Die Revanche für die knappe Niederlage im WM-Viertelfinale 2015 gegen den Gastgeber und späteren Finalisten ermöglichte auch eine titelverdächtige Abwehrleistung.
Im sechsten Vergleich gewann die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) zum vierten Mal gegen Katar. Zahlreiche andere deutsche Sportler wie Ruderer und Schützen jubelten der Mannschaft ebenso zu wie die Spitze des Deutschen Olympischen Sportbundes mit Präsident Alfons Hörmann.
Den besseren Start erwischte die DHB-Auswahl, obwohl für den erwartet starken Rückraum Katars der Ex-Kubaner Rafael Capote zunächst aus allen Lagen traf. Dann gelangen gleich drei Blocks. Dank einer sehr guten Abwehrleistung und starken Paraden von Torwart Andreas Wolff konnte sich der Europameister Mitte der ersten Halbzeit absetzen. Zwar kam Katar immer wieder heran, die Vier-Tore-Führung zur Halbzeit war hochverdient. Eine bärenstarke Abwehr ermöglichte leichte Ballgewinne und Kontertore.
Zu Beginn der zweiten Hälfte setzte das Team wichtige Wirkungstreffer und baute die Führung zum 20:13 (35.) aus. Die Abwehr weiter stabil, Wolff steigerte sich im Tor, der Angriff agierte weiter treffsicher. Mit einem Zwischenspurt von 22:17 (41.) auf 29:18 (51.) wurden die Weichen auf Sieg gestellt.
Der für den verletzen Christian Dissinger nachnominierte Steffen Fäth kam zwölf Minuten vor Schluss zu seinem Olympia-Debüt. Dissinger hat seine Operation in Rio de Janeiro gut überstanden und drückte der Mannschaft vom Krankenbett aus die Daumen. «OP gelaufen. Mir geht’s den Umständen entsprechend nicht so gut», schrieb der Rückraumspieler des THW Kiel am Mittwoch auf Instagram. Dissinger war am Dienstag wegen eines Kompartmentsyndroms im Oberschenkel operiert worden.
Vor der Partie hatte Sigurdsson ein «sehr enges Spiel» erwartet: «Jeder kleine Zweikampf ist ein Krieg für sich.» Gegen die körperlich robusten Katari aber hielten die Deutschen mit spielerischen Mitteln dagegen. Der Aufschwung des Teams wäre ohne Trainer Sigurdsson kaum möglich gewesen.
Nach dem Fehlen bei den Spielen in London 2012, der EM 2014 in Dänemark und dem sportlichen Verpassen der WM 2015 in Katar ging es unter seiner Regie bergauf: WM-Platz sieben in Doha, wo erst eine Wildcard die Teilnahme ermöglichte, Europameister im Januar 2016 und nun – sieben Monate später – das olympische Halbfinale. «Unsere Reise geht weiter», verkündete Sigurdsson nicht ohne Stolz.
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(dpa)