Rio de Janeiro – Am bekanntesten Strand der Welt sind nach dem Karriereende von Rekordweltmeister Thomas Lurz zwei andere Freiwasserschwimmer gefordert.
Vor vier Jahren verhinderte der König des «Open Waters», dass der Deutsche Schwimm-Verband beim Desaster von London wenigstens bei einer Siegerehrung mitmachen durfte. Silber über zehn Kilometer war nach Bronze 2008 die zweite Medaille für den Würzburger – diesmal sollen die Teamweltmeister Isabelle Härle und Christian Reichert ihre kleine Chance an der Copacabana nutzen.
«Isabelle kann aber auf jeden Fall mit vorne dabei sein und Christian kommen die Bedingungen zu gute», sagt der in der Heimat verweilende zwölfmalige Weltmeister. Vor 15 Monaten trat der Dauergewinner zurück, weil er für sich keine Goldchance mehr für Rio sah. Und nur ein Olympiasieg hätte seinen Ansprüchen genügt.
Da sind die Ansprüche von Härle und Reichert bescheidener. Top 8 und Top 10 heißen ihre Ziele beim Rennen im Atlantik. Zu viele Wellen würden Härle im Rennen am Montag (14.00 Uhr MESZ) gar nicht passen, Reichert kann am Dienstag (14.00 Uhr) nicht genug davon bekommen. «Je mehr Freiwasser-Bedingungen, umso besser», sagt der 31-Jährige und sehnt einen harten Kampf herbei.
Bei ruhigen Bedingungen wäre auch die 2014er-Europameisterin Härle eine heiße Kandidatin. Für die im Jahr 2011 in die neue Sparte gewechselte Sportlerin bleibt Freiwasserschwimmerin eine Hassliebe. «Ich mag es immer noch nicht. Das Freiwasser ist mir immer noch suspekt», sagt die 28-Jährige vor dem Zehn-Kilometer-Rennen. «Aber gut, ich bin damit irgendwie erfolgreich. Und das macht man wiederum gerne, wenn man erfolgreich ist.» Kaltes Wasser oder Wellen, das sei nicht ihr Ding.
«Keiner geht gerne in 16 Grad kaltes Wasser. Vielleicht Christian, aber ich nicht», sagt die Schwimmerin von der SG Essen und schaut lächelnd auf Reichert. Der grinst. «Für mich ist es die schönste Sportart, die es überhaupt gibt», erklärt der gebürtige Würzburger. Kaltes Wasser und harte Bedingungen – das sind genau seine Sache. Alles, was Leute, die vom Beckenschwimmen kommen – wie Härle – halt nicht mögen. Reichert hat seit jeher das Freiwasser bevorzugt.
Medaillengaranten à la Lurz sind die beiden nicht. «Es wird die nächsten 100 Jahre keinen wie Thomas mit zwölf Weltmeistertiteln geben. Das ist außergewöhnlich», sagte Bundestrainer Stefan Lurz über seinen Bruder.
Der 36-jährige Thomas Lurz fiebert zu Hause mit, ist mit Vollspeed in der zweiten Karriere unterwegs. Beruflich hat er durch sein Engagement in einem Würzburger Modeunternehmen viel zu tun, darüber hinaus gibt der Diplom-Sozialpädagoge Vorträge über Zielsetzung und Motivation. Außerdem studiert er noch an einer privaten Wirtschaftshochschule. Bereut hat er den Rücktritt nicht. Lurz hat über die 5, 10 und 25 Kilometer alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt – außer olympisches Gold.
«Mir geht es gut, ich habe beruflich neue Ziele. Es ist auch wichtig, dass man sich für die Zeit nach dem Leistungssport Ziele setzt. Wenn das nicht der Fall ist, kann ich mir schon vorstellen, dass man in ein Loch fällt», sagt der zweifache Familienvater.
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(dpa)